Das Sterbehilfegesetz ist vorerst gescheitert

Trier · Eigentlich wollte die schwarz-gelbe Bundesregierung die organisierte Sterbehilfe in dieser Legislaturperiode unter Strafe stellen. Das zumindest steht im Koalitionsvertrag. Doch der Gesetzentwurf aus dem Justizministerium wurde in den parlamentarischen Mühlen zerrieben.

Trier. Monatelang arbeitete das Bundesjustizministerium im vergangenen Jahr an einem Gesetzentwurf, mit dem der gewerbsmäßigen Sterbehilfe ein Riegel vorgeschoben werden sollte. Als der Entwurf dann endlich vorlag, sorgte er für Aufregung und Empörung. Ärzte, Juristen, Kirchenvertreter und Patientenschutzorganisationen gingen auf die Barrikaden. Der TV beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Sterbehilfe:Wie ist die derzeitige Rechtslage?Tötung auf Verlangen steht in Deutschland mit bis zu fünf Jahren Haft unter Strafe, nicht jedoch Beihilfe zum Selbstmord. Mediziner sollen Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beistehen. Es ist ihnen aber nach den Berufsordnungen der Ärztekammern verboten, Patienten auf deren Verlangen zu töten oder Hilfe zur Selbsttötung zu leisten. Mediziner dürfen aber zum Beispiel im Krankenhaus lebensverlängernde Maßnahmen beenden, wenn eine Patientenverfügung vorliegt. Auch das Verabreichen starker Schmerzmittel, die ungewollt lebensverkürzend wirken können, steht nicht unter Strafe. Was sah der Gesetzentwurf des Justizministeriums vor?Der Entwurf sah für gewerbsmäßige Hilfe zur Selbsttötung eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. Allerdings sollte es Ausnahmen geben: wenn die Sterbehilfe im engsten Familienkreis oder aus Mitleid von "nahestehenden Personen" geleistet wird. "Die Regelung berücksichtigt, dass kein Strafbedürfnis gegenüber Personen besteht, die ihren Angehörigen oder anderen engen Bezugspersonen in einer in der Regel emotional sehr belastenden und schwierigen Ausnahmesituation beistehen wollen", heißt es in dem Entwurf.Warum soll Sterbehilfe überhaupt gesetzlich geregelt werden? Vereinbart worden war das Vorhaben schon vor vier Jahren im schwarz-gelben Koalitionsvertrag. Darin steht: "Die gewerbsmäßige Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung werden wir unter Strafe stellen." Ein Leitmotiv war, kommerziellen Sterbehilfevereinen wie dem des ehemaligen Hamburger Senators Roger Kusch (siehe Extra) das Handwerk zu legen.Was ist daran aus Sicht von Ärzten problematisch? Die Überlegungen des Bundesjustizministeriums haben den Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, regelrecht auf die Palme gebracht: "Erst soll die gewerbsmäßige Sterbehilfe verboten werden, und dann will das Justizministerium die gesetzlichen Grundlagen für Ärzte als Sterbehelfer schaffen." Das sei "ein Stück aus dem Tollhaus", schimpfte er. "Als Sterbehelfer stehen wir Ärzte nicht zur Verfügung."Was sagen andere Kritiker?Für den Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, soll mit dem Entwurf "der assistierte Suizid in Deutschland salonfähig gemacht werden". Auch sei damit Überzeugungstätern, die ihr Suizidangebot unentgeltlich anbieten, so nicht beizukommen. Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, mahnte, es dürften "keine Hintertüren geöffnet werden". Warum war der Gesetzentwurf juristisch problematisch?Anders als sonst im Strafrecht soll nur der Täter belangt werden, die Helfer kommen ohne Strafe davon. Experten sehen zudem einen Fallstrick im unbestimmten Rechtsbegriff der "nahestehenden Personen", mit dem der straffrei bleibende Personenkreis definiert - und ausgeweitet - wird: Darunter könne jeder, auch jeder Richter, etwas anderes verstehen, warnen Kritiker.Woran ist die gesetzliche Regelung gescheitert?CDU/CSU und FDP konnten sich nicht auf einen einheitlichen Entwurf einigen. Die Unionsfraktion hatte einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Danach sollte nicht nur gewerbliche, sondern ganz allgemein auch organisierte Sterbehilfe unter Strafe gestellt werden. Wie geht es jetzt weiter mit dem Thema Sterbehilfe?Da sich die Regierungskoalition bis dato nicht auf einen Gesetzentwurf geeinigt hat, ist das Thema für diese Legislaturperiode endgültig vom Tisch. Ob die Sterbehilfe in der nächsten Legislaturperiode erneut auf die politische Tagesordnung kommt, ist ungewiss. Immerhin: Im unlängst verabschiedeten Regierungsprogramm der CDU für die Zeit von 2013 bis 2017 findet sich der Satz: "CDU und CSU lehnen die aktive Sterbehilfe ab und setzen sich dafür ein, dass die gewerbsmäßige und organisierte Hilfe zur Selbsttötung künftig unter Strafe gestellt wird."Extra

Sterbehilfeverein: Der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch ist wegen seines Einsatzes für die Sterbehilfe seit Jahren umstritten. Nach Ärger mit den Hamburger Behörden wurde der Verein Dr. Roger Kusch Sterbehilfe aufgelöst. Ende 2009 gründete der ehemalige Politiker den Verein Sterbehilfe Deutschland, der nach Kuschs Angaben bislang 77 Vereinsmitglieder beim Suizid begleitet hat. Laut Satzung des Vereins kostet die Mitgliedschaft einmalig 2000 Euro oder jährlich 200 Euro. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hat eine in Trier freiwillig aus dem Leben geschiedene Seniorin insgesamt 8000 Euro an den Sterbehilfeverein überweisen. "Es geht hier nicht nur um Nächstenliebe und Menschlichkeit, sondern auch um geschäftliche Interessen", sagt Chef-Staatsanwalt Jürgen Brauer. Der Verein "hat keinerlei wirtschaftliche Zielsetzung", heißt es dagegen in der Satzung des Sterbehilfevereins. sey

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