"Schröder muss Kanzler bleiben"

Die SPD-Linke Michael Müller hält im TV-Interview eine Kanzlerschaft Gerhard Schröders in einer Großen Koalition für unabdingbar. In der neu gewählten Bundestagfraktion wird etwa die Hälfte der 222 Abgeordneten zum linken Parteiflügel gerechnet.

Die SPD-Linke hat eine Ampelkoalition favorisiert. Aber die FDP macht nicht mit. Haben Sie schon über eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linkspartei nachgedacht?Müller: Wir denken in diesen Tagen über alles nach. Eine Minderheitsregierung halte ich aber für ausgeschlossen, weil sie nicht die notwendige Stabilität für unser Land garantiert. Was die FDP angeht, so ist es schon erstaunlich, dass sich eine angeblich liberale Partei derart dogmatisch aufführt.

Realistischerweise bleibt also nur ein Große Koalition?

Müller: Ich höre auch von namhaften Vertretern der FDP, dass sie über den Betonkurs von Herrn Westerwelle sauer sind. Da könnte noch Bewegung drin sein. Aber auch eine große Koalition ist nicht auszuschließen.

Nach Auffassung der Union muss für ein solches Bündnis erst über Personalien und danach über Inhalte gesprochen werden. Ein gangbarer Verhandlungsweg?Müller: Man kann nur hoffen, dass die Union von dieser Position herunter kommt. Es geht um die Einheit von Personen und Inhalten. Alles andere ist falsch. Es ist doch keine machttaktische Frage, dass wir sagen, Gerhard Schröder muss Kanzler bleiben. Nur mit ihm können die Probleme im Land gelöst werden.

Schröders weitere Kanzlerschaft ist unverhandelbar?

Müller: Es ist die wesentliche Voraussetzung, um dem Land eine gute Zukunft zu geben.

Die Union hat im Bundestag drei Sitze mehr als die SPD. Warum sollte sie einen SPD-Kanzler akzeptieren?Müller: Weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün gibt es eine Mehrheit. Gesellschaftlich steht aber eine linke Mehrheit gegen Schwarz-Gelb. Das haben die Wähler so entschieden. Also muss man fragen, in welcher neuen Konstellation Personen und Inhalte zusammen kommen. Wir sind überzeugt davon, dass das nur mit Gerhard Schröder geht.

Ihr Parteifreund Kurt Beck sieht das anders. Er hält auch eine Große Koalition ohne Schröder für möglich. Müller: Natürlich sind wir ein diskussionsfreudige Partei. Ich kann aber für die Bundestagsfraktion sagen, dass die Grundlinie eindeutig ist: Gerhard Schröder muss Kanzler bleiben.

Beim Poker um die Macht wird über eine Rotationslösung Merkel/ Schröder diskutiert. Was halten Sie davon?

Müller: Ich kann mir das nicht vorstellen. Wie soll das organisatorisch gehen? Wir haben doch 1998 bei unserer Regierungsübernahme erlebt, wie lange es dauert, bis sich ein Regierungsapparat gefunden hat. Nein, das wäre nur eine Scheinlösung. Unser Land verlöre viel zu viel wichtige Zeit.

Für die Union ist nur eine Kanzlerschaft Angela Merkels akzeptabel. Kommt es zu Neuwahlen, wenn alle Beteiligten auf ihren Maximalpositionen beharren?

Müller: Ich bin mir nicht so sicher, ob die Union wirklich geschlossen hinter Frau Merkel steht. Eine Linie á la Paul Kirchhof, das hat die Wahl gezeigt, ist für unser Land unannehmbar. So denken auch große Teile der Union. In der Union schart sich jetzt alles um Merkel, weil sonst sofort die Diskussion hoch käme, dass die Spitzenkandidatin eine falsche Linie vertreten hat.

Sie hoffen darauf, dass die Union ihre Kanzlerkandidatin noch aus dem Rennen nimmt?

Müller: Ich hoffe, dass sich die Union auf die soziale Marktwirtschaft besinnt, durch die sie einst stark geworden ist. Frau Merkel hat im Wahlkampf eine andere Linie vertreten.

Das Gespräch führte unser Korrespondent Stefan Vetter.

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