Wie die CDU die "Obergrenze" umschiffen will

Berlin · Ein neuer Vorstand wird zwar nicht gewählt. Dennoch dürfte der Bundesparteitag der CDU Mitte Dezember spannend werden: Die Flüchtlingskrise wird den Konvent dominieren - und die Frage, wie die Union den Flüchtlingsandrang zu reduzieren gedenkt, ohne dass der von Parteichefin Merkel gehasste Begriff "Obergrenze" im Beschluss auftaucht.

Berlin. Diejenigen, die erwarten, dass der neue Kampfbegriff im Streit um die Flüchtlingspolitik vom Bundesvorstand der CDU aufgegriffen wird, dürften enttäuscht werden. Für eine "Obergrenze" bei der Aufnahme von Flüchtlingen wird die Unionsführung in ihrem mit Spannung erwarteten Antrag an den Bundesparteitag Mitte des Monats dem Vernehmen nach nicht plädieren. Die Vorsitzende Angela Merkel lehnt das Wort ab. Sie glaubt, dass eine "Obergrenze" praktisch nicht umzusetzen ist. Streit mit den Delegierten ist damit programmiert.
Der Konvent in Karlsruhe vom 13. bis 15. Dezember wird spannend, obwohl keine Vorstandswahlen stattfinden. Ursprünglich sollte es um die interne und inhaltliche Modernisierung der Partei gehen. Jünger, bunter, vielfältiger will die CDU werden. Und teurer. So sollen Kreisverbände künftig pro Mitglied deutlich mehr an die Bundespartei bezahlen. Doch das alles wird in den Hintergrund treten, weil die Flüchtlingskrise dominiert.
Wichtiges Thema: Integration


Wegen der Brisanz wollen die CDU-Granden erst kurz vor Beginn die genaue Ausgestaltung des Antrages zur Flüchtlingspolitik beraten und beschließen. Wer Angela Merkel zuletzt im Bundestag gehört hat, und wer die Beschlüsse der drei Parteivorsitzenden der schwarz-roten Koalition kennt, die kürzlich im Kanzleramt zur Asylpolitik gefasst wurden, kann erahnen, was in dem Papier stehen wird: Die Reduzierung des Flüchtlingsandrangs ja, aber die "Obergrenze" wird nicht auftauchen.
Fluchtursachen sollen stattdessen stärker bekämpft und die europaweite Verteilung der Flüchtlinge sichergestellt werden. Darüber hinaus wird das Thema Integration viel Raum einnehmen: Die Union will sie fördern - und dem Vernehmen nach verpflichtend fordern, wie unter anderem der Landesverband Rheinland-Pfalz vorschlägt. Das dürften Kernpunkte des Antrags sein.
Dahinter soll sich der Parteitag dann möglichst geschlossen versammeln. Ob das gelingen wird, steht in den Sternen. So liegen nämlich auch Anträge vor, in denen deutlicher und forscher gefordert wird, dass der Umgang mit Flüchtlingen "nicht zu einem Verlust an realistischer Selbsteinschätzung" führen darf. Das sagt beispielsweise die Junge Union, die die Partei unbedingt auf eine "Obergrenze" einschwören will. Die Mittelstandsvereinigung, die Frauenunion sowie einige Landesverbände proben ebenfalls den Widerstand gegen die Politik der Kanzlerin.
Zwischen Baum und Borke


Das hat Gründe. Erstens tickt die Basis oft anders als die Oberen in Berlin - schließlich muss sie vor Ort das ausbaden, was Merkel und ihre Getreuen in der Hauptstadt fabrizieren. Zweitens ist die Flüchtlingspolitik seit langem mal wieder ein Thema, bei dem viele CDUler nicht wissen, ob sie sich an Merkels Seite positionieren sollen, oder ob es nicht besser ist, sich dem großen Unbehagen an der Basis anzuschließen.
Die CDU steht in der Flüchtlingsfrage zwischen Baum und Borke. Den Parteitag will die Führung daher für eine Klärung nutzen - ein Showdown zwischen Merkel und einem großen Teil der 1000 Delegierten ist möglich.
Dann wäre da noch die CSU. Sie erhöht bereits jetzt den Druck auf die Schwesterpartei und fordert, dass von dem Konvent ein klares Signal der Begrenzung ausgehen müsse. Wenn sich auf europäischer Ebene bis zum Jahresende nichts tue, müsse eben national gehandelt werden, heißt es bei den Christsozialen.
Auch CSU-Chef Horst Seehofer wird in Karlsruhe auftreten, was nach dem Eklat von München, als er Merkel auf dem CSU-Parteitag wie ein Schulmädchen behandelte, besonders interessant werden wird. Sollte der Bayer in seiner Rede ebenfalls vehement eine "Obergrenze" fordern, wäre das jedoch ziemlich egal.
Die Parteitagsregie hat dafür gesorgt, dass Seehofer erst dann spricht, wenn zur Flüchtlingsfrage schon alles beschlossen ist. So hat es die CSU mit Merkel auch gemacht.

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