Archiv November 2018 Von null auf drei in neun Monaten: So leben die Jahrhundert-Drillinge

Mettendorf/Trier · Die eineiigen Drillinge von Kira Fandel und Willy Gass sorgten vor einigen Wochen für Aufsehen. Nun sind Tara, Amara und Mila zu Hause. Der TV hat die Familie dort besucht.

 Die Drillinge aus Mettendorf sind zu Hause. Sie sind wohlauf – und meistens ruhig.

Die Drillinge aus Mettendorf sind zu Hause. Sie sind wohlauf – und meistens ruhig.

Foto: Christian Thome

Es ist ruhig in Mettendorf. Im Haus von Kira Fandel und Willy Gass könnte man eine Stecknadel fallen hören. Die Wohnzimmervorhänge sind zugezogen, lediglich ein kleiner Spalt erinnert daran, dass es Mittag und nicht Nacht ist.

Links im großen Kinderbett liegen die Drillinge Tara, Amara und Mila, die bei ihrer Geburt am 11. Oktober im Trierer Mutterhaus bundesweit für Aufsehen gesorgt haben (der TV berichtete). Denn sie sind eineiige Drillinge. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei eins zu 200 Millionen. Rechts auf der Couch schlummert der Papa.

„Da schläft noch jemand“, sagt Kira Fandel, Mutter der drei Kleinen. Willy öffnet langsam ein Auge und murmelt: „Ja, ich halte die drei immer nachts wach, die müssen tagsüber schlafen.“ Man würde nicht meinen, dass in diesem Haus Drillinge leben.

Die Warnungen, die sich die jungen Eltern nach der Geburt anhören mussten, hatten anderes prophezeit: „Die hören nie auf zu schreien“, „Ihr werdet die ganze Nacht auf den Beinen sein“ oder „Die schaukeln sich gegenseitig nach oben“, hatten wohlmeinende Zeitgenossen gesagt. „Wir haben da ganz andere Erfahrungen gemacht“, sagt Kira Fandel. Einmal pro Nacht stünden die beiden auf und gäben eine Flasche, erklärt Vater Willy Gass. „Aber das haben alle Eltern, dafür braucht man keine Drillinge.“

Die wichtigste Frage vorweg: Können die Eltern ihre Kleinen auseinanderhalten? „Das ist manchmal nicht möglich“, sagt Willy Gass. Tara, Amara und Mila tragen Namenskettchen an ihren Schnullern. „Selbst der Kinderarzt sucht nach Dingen, die verschieden sind“, schmunzelt Kira Fandel. Bislang ohne Erfolg.

Obwohl die Kleinen nach der Geburt eigentlich noch drei Wochen auf der Frühchenstation des Trierer Mutterhauses bleiben sollten, wurden sie frühzeitig nach zwei Wochen entlassen. Sie hatten sich besser entwickelt, als es die Ärzte erwarteten.

Besser als erwartet verlief in ihrem kurzen Leben bereits vieles: die Schwangerschaft, die Geburt – und das Interesse an ihnen. Denn nach der Geburt ging die stressige Phase los, nur selten war das Haus leer. „Wir hatten die Bude oft so voll, dass wir zum einen oder anderen sagen mussten ‚ihr seid jetzt schon eine Stunde da, da kommen die nächsten’“, sagt Willy Gass.

Jeder wolle die eineiigen Drillinge sehen, egal ob Nachbarn, Familie oder Freunde. Willys Eltern reisten kurzerhand aus dem 480 Kilometer entfernten Coburg an. Seine Freundin ergänzt: „Die Besucher sind nicht nur Gäste, sondern müssen auch mit anpacken.“

Wie auf Kommando fangen in diesem Moment alle drei im Chor an zu schreien. „Kannst du eine nehmen und füttern?“, fragt Kira Fandel und zeigt auf Tara. Ruckzuck wird aus einem Journalist ein Futterhelfer. Man habe nur zwei Hände, besonders beim Fläschchen geben sei das eine Belastung, erklärt Kira Fandel.

Meist stünde ihr Vater und neuerdings dreifacher Opa, Andreas Fandel, Gewehr bei Fuß. Er wohnt im gleichen Haus, hat kurzerhand den großen Teil des Gebäudes der fünfköpfigen Familie überlassen und wohnt nun in der kleineren Wohnung nebenan.  Nachdem der TV auf die eineiigen Drillinge aufmerksam wurde, fragten weitere Medien an. Fernsehen, Radio, Zeitung – zu viel für die junge Familie: „Wir wissen nicht“, erklärt Willy Gass „ob die Mädels das so geil finden, wenn sie mal 14 oder 15 sind und ihre Klassenkameraden ihre gesamte Kindheit verfolgen können.“ Für den Trierischen Volksfreund machen sie eine Ausnahme.

Sogar auf der Straße wurden sie angesprochen. Beim Shoppen in Trier standen auf einmal mehrere Frauen hinter Willy und dem Kinderwagen. „Sind das die Drillinge aus der Zeitung?“, fragten die meisten. Und Willy erzählte wie ein Uhrwerk immer die gleiche Geschichte.  Auch der Fuhrpark der Familie hat sich verändert. Kira hat ihr Auto verkauft, das neue ist familientauglicher. Da passt auch der neue Drillingskinderwagen hinein.

 Die Drillinge Tara, Amara und Mila schlummern in ihrem Bett. 

Die Drillinge Tara, Amara und Mila schlummern in ihrem Bett. 

Foto: Christian Thome

Das alles muss ebenso finanziert werden wie die Putzfrau, die die Familie momentan braucht. Doch bislang stellt die Krankenkasse auf Durchzug. „Wir wissen noch nicht, ob wir eine Haushaltshilfe bekommen oder nicht“, sagt Kira Fandel. Die Altenpflegerin und der Koch sind momentan in Elternzeit. Drei Jahre pro Kind könnten sie nehmen. Doch Geld erhalten sie nur für ein Jahr, wie wenn sie ein Kind hätten. „Das macht keinen Sinn“, sagt Willy Gass. Als wenn drei Kinder gleichzeitig nicht Arbeit genug wären, legt der Staat ihnen Steine in den Weg. Doch von Angst keine Spur. „Es kann finanziell schwierig werden. Aber wir schaffen das.“

Was ist das Geheimnis hinter der unaufgeregten Art der Eltern? „Man muss sich wirklich lieben“, flüstert Willy Gass, während seine Frau den Raum verlässt. „Sonst geht das nicht.“ (Fast) den ganzen Besuch über war es ruhig in Mettendorf.

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