Bahn: Leser machen ihrem Hitze-Ärger Luft

Trier · Die Aussage der Bahn, dass in dem ICE von Berlin nach Trier die Klimaanlagen bisher funktioniert haben, empört viele TV-Leser. Sie berichten von mindestens zwei Fahrten in überhitzten Zügen.

„Ich bin außer mir.“ Theresia Müller aus Saarburg ist sauer. Richtig sauer. Und zwar – wenig überraschend in diesen Tagen – auf die Bahn. Was die Saarburgerin auf die Palme bringt, ist noch nicht einmal, die Tatsache, dass sie am vergangenen Montag im überhitzten– weil Klimaanlagen ausgefallen waren – und völlig überfüllten – weil Wagen fehlten – ICE von Berlin Richtung Trier saß.

Theresia Müller fühlt sich, wie andere TV-Leser auch, verschaukelt von dem Unternehmen. „Die stellen uns doch als Lügner hin“, schimpft die Frau und ärgert sich, dass ein Bahnsprecher gegenüber unserer Zeitung gesagt hatte, dass in dem ICE von Berlin nach Trier die Klimaanlage funktioniert habe.

Es sei unerträglich heiß gewesen, sagt Müller. Der Zug habe nach rund einer Stunde außerplanmäßig in Stendal halten müssen, weil drei Mädchen einer Schülergruppe zusammengebrochen seien. Über eine Stunde habe der ICE dort gehalten, mehrere Reisende seien am Bahnsteig behandelt worden, sagt Waltraud Hoffmann aus Saarburg, die mit Theresia Müller in dem Zug war.

Kurz vor Wolfsburg habe es dann die Durchsage im ICE gegeben, dass das Personal es wegen des Ausfalls der Klimaanlage nicht mehr verantworten könne weiter zu fahren. Auch das widerspricht der Aussage des Bahnsprechers, der auf TV-Anfrage mitgeteilt hat, dass der Zug in Wolfsburg wegen eines Unwetters in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gestoppt worden sei.

Auch andere TV-Leser, die in dem Zug gefahren sind, waren empört über die Darstellung der Bahn. Sie bestätigten gestern erneut, dass die Klimaanlage in dem ICE ausgefallen war. Offenbar nicht zum ersten Mal. Rita Bauer aus Oberstadtfeld (Kreis Vulkaneifel) berichtet von einer Fahrt im ICE von Berlin nach Trier am 3. Juli – also eine Woche, bevor der Ausfall der Klimaanlagen bekannt wurde: „Schon nach wenigen Kilometer wurde uns auf den reservierten Plätzen im Wagen Nummer 33 immer wärmer. Der Wagen heizte sich immer mehr auf. Die Chance auf einen klimatisierten Platz in diesem ICE wurde immer geringer, da wohl noch andere Wagen dieses Zuges das gleiche Problem hatten“, schreibt Bauer, die sich mit Kollegen auf der Rückfahrt von einem Betriebsausflug befand, in einer E-Mail.

Auch Marlies Losen aus Kordel (Trier-Saarburg) berichtet vom Ausfall der Klimaanlage in einem überfüllten IC von Hamburg nach Köln, ebenfalls am 3. Juli: „Es war ein totales Chaos und für alle Reisenden eine Zumutung in einem überfüllten und überhitzten Zug zu sitzen, wo man kein Fenster öffnen konnte.“

Defekte Klimaanlagen in Zügen seien nicht neu, meinen Christel Hontheim-Monz und Hannelore Hermann-Reis aus Trier. Bereits im Juni 1998 seien sie in einem überhitzten ICE Leipzig nach Saarbrücken: „Statt der Klimaanlage lief dann noch die Heizung auf Hochtouren.“

Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz rät allen Hitzegeschädigten, ihren Schadenersatz bei der Bahn per Einschreiben mit Rückschein einzureichen. Die Betroffenen sollten sich nicht mit einem Reisegutschein vertrösten lassen: „150 Prozent des Reisepreises sind das Minimum – aber das bitte in Geld“, sagt Verbraucherschützerin Monika Hecken. Wer in einem überhitzten Zug sitzt, sollte sich den Ausfall der Klimaanlage vom Zugbegleiter bestätigen lassen.

Dokumentation

Leserreaktionen im Wortlaut

„Die Deutsche Bahn gibt es praktisch seit 1871 (als Staatsbahnen) und seit 1919 als Deutsche Reichsbahn. Sie überlebte Hitler-Deuschland, den Krieg, die DDR und als Bundesbahn auch die BRD. In all den langen Jahren war sie als Staatsunternehmen ein Teil der Öffentlichen Daseinsvorsorge und somit an ihren Auftrage gebunden; die Bevölkerung sicher, schnell und preisgünstig in alle Teile des Landes zu befördern. Dies hatte eigentlich immer ganz gut geklappt, selbst widrige klimatische Verhältnisse vermochte die Züge kaum zu stoppen („Alle reden vom Wetter, wir nicht!“). Bis dann vor einigen Jahren „interessierte Kreise“ bei der Politik vorstellig wurden, bei der sie die Anschauung platzierten, dass alles an der alten Bahn nur schlecht, langsam und teuer sei. Nur die Privatisierung könne die Bahn noch retten. Die Politik spielte mit, die Bahn wurde zur AG und seit Jahren will sie an die Börse, um das ganz große Rad zu drehen. Auf dem Parkett machen sich Zukäufe von maroden Staatsbahnen in Hinter-Asien und „schlanke Strukturen“ im Inland eben besser als gut gewartetes Schienenmaterial, kurze Prüfintervalle bei Radachsen oder Klimaanlagen. Das alles kostet die Bahn das Geld, welches sie zur Rendite-Erwartung der künftigen Aktionäre benötigt. Was scheren das Management da bröckelnde Fassaden oder Hitzekollapse der Fahrgäste? Im Zweifel sind für die "Nadelstreifen" sporadische Entschädigungen stets günstiger als kontinuierliche Prüf- und Instandsetzungs-Arbeiten.“

Manfred Ulrich, Trier

„Das ist nichts Neues bei der Bahn. Das Problem mit der Klimaanlage besteht schon seit Jahren. Auch wir hatten ein ganz schlimmes"heißes" Erlebnis mit der Bahn.

Auf der Rückfahrt Leipzig-Saarbrücken-Trier fuhren wir an einem sehr heißen Tag im Juni 98 in einem ICE mit defekter Klimaanlage. Aber damit noch nicht genug. Statt der Klimaanlage lief dann noch die Heizung auf Hochtouren. Beim Personal erhielten wir dann lapidar die Auskunft, die Klimaanlage wäre nicht ausgerichtet auf die hohen Außentemperaturen. Niemand vom Zugpersonal hat uns geholfen. Es gab auch später keine gekühlten Getränke mehr.

Mit Verspätung erreichten wir dann einer Ohnmacht nahe den Bahnhof Saarbrücken. Dort stand unser Regional Express zur Weiterfahrt nach Trier bereit. Aber weit gefehlt, denn auch dort musste der Zug erst einmal etwas Abkühlen. Es gab auch dort keine Klimaanlage, aber dafür eine Heizung. Von hilfreichem Bahnpersonal weit und breit nichts zu sehen.

Mit großer Verspätung setzten wir dann unser Fahrt nach Trier in Gluthitze fort. Der Zugführer stieg dann kurzer Hand im Bahnhof von Saarburg aus und hat sich dort ein kühles Getränk genehmigt und wir fuhren in der Gluthitze nach Trier weiter.

Den Reisenden wurde dann gesagt... wir könnten uns ja Beschweren in Frankfurt bei der Bahn. Auch das haben wir getan. Es kam aber keine Antwort.

So weit zur Bahn, zur Freundlichkeit der Bahn und zur Klimaanlage. Fazit daraus....... das Problem der Klimaanlage ist nicht neu!“

Christel Hontheim-Monz, Trier
Hannelore Herrman-Reis, Trier

Am 3. Juli 2010 passierte uns das selbe wie in Ihrem Bericht.

„Gut erholt kamen wir von Sylt und wollten unsere reservierten Plätze im IC von Hamburg Altona bis Köln einnehmen. Es fehlte unser Wagen Nr 8. Das Zugpersonal meinte: Suchen Sie sich einen freien Platz. Ab Hamburg Hbf wurde der Zug immer voller, überall standen Menschen in den Gängen mit ihrem Gepäck. Der Zugleiter entschuldigte sich im Namen der Bahn, meinte das ihm fünf Wagen fehlten und er nichts davon wusste.

340 Plätze, fast alle alle reserviert und bezahlt. Zu allem Übel fiel auch noch die Klimaanlage aus. Es war ein totales Chaos und für alle Reisenden eine Zumutung, in einem überfüllten und überhitzten Zug zu sitzen, wo man kein Fenster öffnen konnte.

Mein Mann und ich haben es zum Glück heil überstanden. Ob wir im nächsten Urlaub wieder mit der Bahn fahren, überlegen wir uns noch.“

Marlies Losen, Kordel

„Ich war am Wochenende auf dem Rückweg von Berlin nach Trier, pikanterweise von einem Treffen der Stiftung Lesen mit Bahnchef Rüdiger Grube, in dem der Bahnchef stolz auf die Leistungen der Bahn mit rund acht Millionen täglicher Beförderungen hinwies. Die Wirklichkeit sieht leider nicht so gut aus. Von Frankfurt bis Trier gab es eine Panne nach der anderen. Erst fuhr der Zug in Frankfurt 20 Minuten verspätet ab, dann stellte sich heraus, dass der Wagen, für den unsere Reservierung galt, gar nicht vorhanden war, ebenfalls nicht das Bahnbistro, schließlich fiel die Klimaanlage komplett aus. Das Krisenmangement der Bahn war völlig desolat, keine Information, keine praktikablen Lösungen der Reservierungen, keine Hilfe und Beratung. Den Anschlusszug nach Trier haben wir nur deshalb errreicht, weil dieser ebenfalls Verspätung hatte. Aber auch hier Ausfall der Klimaanlage, kein Bistrowagen. Beim nächsten Mal werde ich zu dem Bahntreffen mit dem Bahnchef wieder mit dem Auto fahren. Ob der Bahnchef selbst die Bahn benutzt?“

Malte Blümke, Trier

„Ausnahme, wenn wir nicht schon eine Woche vorher, am 3.7.2010 auf der gleichen Strecke fast genau das Gleiche erlebt hätten und ich aus eigener Erfahrung wüßte, was es heißt, über vier Stunden aufgeheizt zu werden, würde ich jetzt lachen! Wir, das Personal des Kindertreff Midale in Manderscheid, fuhren schon am 3.7.2010 bei über 35 Grad Außentemperatur um 15.48 Uhr in Berlin weg und freuten uns, nach zwei sehr heißen Tagen in Berlin, auf eine erholsame Rückfahrt in einem klimatisierten ICE. Es sollte der "kühle" Abschluss unseres Betriebsausfluges werden! Schon nach wenigen Kilometern wurde uns auf den reservierten Plätzen im Wagen Nr. 33 immer wärmer. Eine Zugbegleiterin kam zu uns, und ich fragte sie freundlich ob es sein könnte das die Klimaanlage kaputt sei. Ihre mehr als unfreundliche Antwort klingt mir heute noch unangenehm in den Ohren. "Das kann nicht sein, die Klimaanlage funktioniert, das habe ich gerade noch kontrolliert." Das war 15 Minuten nach der Abfahrt in Berlin, die nächsten vier Stunden habe ich diese Zugbegleiterin nicht mehr gesehen. Der Wagen heizte sich immer mehr auf. Die Chance auf einen klimatisierten Platz in diesem ICE wurde immer geringer, da wohl noch andere Wagen dieses Zuges das gleiche Problem hatten und eine größere Wanderung der Reisenden ihren Lauf nahm. Immer mehr suchten verzweifelt einen klimatisierten Wagen in diesem Zug. Da wurde es fast zur Nebensache, dass man uns immer auf den akuellen Stand des Viertelfinales der Deutschen bei der WM brachte. Dass wir unseren Anschlusszug, wegen einer Verspätung nicht mehr erreichten und 2 Stunden zusätzlichen Aufenthalt in Köln hatten, sei der vollständigkeitshalber erzählt! Fazit dieses Betriebsausfuges: Berlin ist inmer wieder eine Reise wert! Eine Anreise mit dem ICE auf keinen Fall!“

Rita Bauer, Oberstadtfeld

„Leider sind die beschriebenen Vorkommnisse kein Einzelfall, wie Herr Grube uns Glauben machen möchte und wie Herr Wientjes in seinem Kommentar schreibt.

Ich bin am Freitag dem 05.07.10 mit dem ICE 944/954 1. Klasse von Hannover nach Köln gefahren. Abfahrt verspätet um ca. 10:45 in Hannover wegen dem tragischen Unfall in Berlin, den man der Bahn sicher nur bedingt zur Last legen kann.

In dem Waggon, in dem ich saß funktionierte die Klimaanlage nicht, der Zug war nicht sehr voll, man konnte in einen anderen Wagen ausweichen.

In Köln angekommen fährt der Zug wieder zurück nach Berlin, Klimanlage immer noch defekt.

Ich bin dann weiter mit einem IC Richtung Franfurt/M HBF von Köln nach Koblenz, 1. Klasse, Klimaanlage leider ausgefallen, man konnte ausweichen in einen anderen Wagen.

In Koblenz dann umsteigen in einen anderen IC (Norddeich Mole – Luxemburg) 1. Klasse, wieder die Klimaanlage defekt oder aus? Wie auch immer es war sehr warm im Zug.

Weiterer Umstieg dann in Wittlich in eine Regionalbahn bis nach Schweich in der 1. Klasse wieder keine Klimaanlage, vermutlich gibt es keine in diesen Zügen oder sie war defekt oder nicht eingeschaltet. In keinem der Züge konnte man zur Entlastung ein Fenster öffnen.

Alles in allem bestätigt es meine Erfahrungen mit der Bahn, die ich ca. 3-4 mal im Jahr im Fernverkehr nutze. Mehr als zweimal umsteigen scheitert in der Regel wegen der ständigen Verspätungen im Fernverkehr (der Nahverkehr läuft m.E. relativ pünktlich), manche Züge fallen einfach aus (habe ich im letzten Sommer erlebt, um 6:00 Uhr morgens, Zug fällt wegen Personalmangel aus) Im Winter diesen Jahres bin ich wegen defekt einer Lok hinter dem Cochemer Tunnel hängen geblieben (ja, es war kalt -6°).

Das Managment der Bahn sollte sich fragen, ob es seinen Aufgaben gewachsen ist, meiner Meinung nach nicht, denn das rollende Material ist überwiegend veraltet, schlecht gewartet bzw. die halbwegs neuen ICE`s funktionieren auch nicht, ebenso wenig wie die Neigetechnikzüge oder auch die anhaltenden Probleme bei der Berliner S-Bahn, die ja auch von der Bahn betrieben wird.

Die Probleme sind sicher auch Folgen der Privatisierung, wodurch ein starker Druck ausgeübt wird und Gewinne erzielt werden müssen, koste es was es wolle, anscheinend insbesondere zu Lasten der Wartung der Züge bzw. zuungunsten der Flottenerneuerung.
Wenn Züge ausfallen oder deutlich später kommen gibt es auch keine Ersatzzüge oder Ersatzpersonal, der Kunde muss dann halt warten.

Von einem kalkulierbaren, zuverlässigen Verkehrsträger ist die "neue" Bahn weit weg. Besserung ist derzeit nicht in Sicht, ausser dass das heiße Wetter sicher irgendwann wieder vorüber geht, leider wirds wieder irgendwann kalt, dann funktioniert`s auch nicht besser.

Trost der Bahnnutzer: auf der Autobahn läufts auch nicht viel besser.“

Gerd Krewer, Longuich

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