Unwetter Bestürzung im Landtag statt politischem Geplänkel - Betroffenen soll schnell geholfen werden

Trier · Landesregierung gab Abgeordneten Überblick über die Lage in den Katastrophengebieten. Betroffenen soll schnell finanziell geholfen werden.

 Mitten in der Nacht ist der Pegel der Prüm in Wißmannsdorf rasant  
 gestiegen.

Mitten in der Nacht ist der Pegel der Prüm in Wißmannsdorf rasant gestiegen.

Foto: Uwe Hentschel

Es kommt nicht allzu oft vor, dass gleich mehrere Landtagsausschüsse gemeinsam tagen. Die Experten für Innenpolitik, Klima und Haushalt kamen trotz parlamentarischer Sommerpause zusammen.  Und noch seltener kommt es vor, dass fast das gesamte rheinland-pfälzische Kabinett an Ausschusssitzungen teilnimmt. Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) saß gestern an der Regierungsbank im Steinsaal des Landesmuseums in Mainz, dem Ausweichquartier des Landtags. Dass, und die Tatsache, dass die fast vierstündige Sitzung mit einer Schweigeminute für Opfer der Flutkatastrophe begonnen hat, unterstrichen die besondere Lage und Dramatik.

Und trotz der im Vorfeld von einigen Oppositionsparteien geäußerten Kritik am Krisenmanagement der Landesregierung kam es bei der Sitzung nicht zu einem politischen Schlagabtausch – worum der Vorsitzende des Innenausschusses, Dirk Heber (CDU) zu Beginn auch bat. Lediglich in der Fragerunde gegen Ende versuchte vor allem die AfD die Landesregierung mit der Kritik an der Warnung der Bevölkerung vor der Flutwelle aus der Reserve zu locken. Innenminister Roger Lewentz (SPD) wies die Vorwürfe von sich. „Es kam alles zusammen, was an ungünstigen Umständen überhaupt zustande kommen konnte, in diesem kleinen Ahrtal.“  Die Situation sei eine solche Ausnahme, „die die Bundesrepublik noch nicht erlebt hat“.

Die Hochwasserzentrale des Landes habe frühzeitig   vor der Hochwassergefahr an den größeren Flüssen wie Rhein und Mosel gewarnt. Diese Berichte  hätten auch Warnungen vor Hochwassern an kleinen Flüssen und Bächen enthalten, sagte ein Sprecher des Landesamtes für Umwelt unserer Redaktion. Einer, der die Überflutung hautnah erlebt hat, ist der aus Lissendorf (Vulkaneifel) stammende FDP-Abgeordnete Marco Weber. Den Tag der Katastrophe werde er nie vergessen, sagte er gestern unter Tränen. Nach der Landtagssitzung vergangene Woche habe seine Mutter ihn angerufen und gesagt: „Marco gib mal Gas, wir haben hier ein Problem!“

Das Warnsystem Katwarn scheine bis zum Ausfall des Internets und des Mobilfunknetzes funktioniert zu haben, im Gegensatz zu der vom Bund entwickelten Warnapp Nina, sagte Lewentz im Landtag. Aber für solche Situationen sei ein völlig neues Warnsystem notwendig. Dass Katwarn grundsätzlich auch während der Flutkata­strophe funktioniert habe, bestätigt auch Arno Vetter. Er ist Geschäftsführer der CombiRisk, einer von zwei öffentlichen Versicherern gegründeten Gesellschaft, die Mitauftraggeber der Warnapp war. Es seien Warnungen vor Überflutungen verschickt worden, sagte Vetter unserer Redaktion. Doch offenbar hätten die Empfänger die Warnung nicht ernst genug genommen. Allerdings räumt Vetter auch ein, dass angesichts von ungeheuer schnell ansteigenden Wasserständen – der Pegel der Ahr sei innerhalb von 40 Minuten um 2,70 Meter gestiegen – es sehr schwierig gewesen sei, alle Betroffenen rechtzeitig zu warnen. Vetter kritisiert, dass nicht alle Funktionen von Katwarn genutzt werden, etwa die automatische Warnung über Sirenen. Die hätte aus Sicht von Innenminister Lewentz angesichts der durch die Orte rauschenden Wassermassen und des damit zusammenhängenden Geräuschpegels vermutlich auch nicht viel gebracht. Welches Ausmaß die Flutwelle im Ahrtal oder auch in der Eifel gehabt haben, machte Bernhard Braun (Grüne) am deutlichsten. Umgelegt auf die Mosel hätte ein Pegelstand von über acht Meter an der Ahr einen Wasserstand von mehr als 15 Meter bedeutet.

 AfD-Fraktionsvize Jan Bollinger kündigte nach der Ausschusssitzung an, weiter Aufklärung über die angeblichen Pannen bei der Warnung vor der Flutwelle von der Landesregierung zu verlangen. Auch CDU-Fraktionschef Christian Baldauf sagte, dass eine Fehleranalyse notwendig sei. Allerdings: „Heute ist nicht die Zeit für Schuldzuweisungen.“ Vielmehr müsste jetzt schnell geklärt werden, wie die Betroffenen rasch und ohne Verzögerung an die vom Land zugesagten finanziellen Hilfen kämen. Sowohl Dreyer, als auch Lewentz und Finanzminister Doris Ahnen (SPD), sagten zu den Menschen in den Flutgebieten unbürokratisch zu helfen. „Wir lassen die Menschen in den betroffenen Gebieten nicht allein“, so die Finanzministerin.

In der ersten Phase erhielten die Geschädigten Soforthilfen von bis zu 3500 Euro je Haushalt, sagte Ahnen. In einer zweiten Phase soll dann die Höhe der entstandenen Schäden genauer ermittelt werden. Ende Juli oder Anfang August werde es Gespräche mit Bund und Ländern über den Wiederaufbau geben, der dann in der dritten Phase umgesetzt werde. Ahnen schließt nicht aus, dass es einen Nachtragshaushalt geben wird.  Schon jetzt sei klar, dass die Katastrophe den Landeshaushalt auf Jahre hinaus belasten und beschäftigen werde. Der Wiederaufbau sei eine enorme Herausforderung.

Wie hoch die Schäden insgesamt seien, das stehe noch nicht fest, sagte Dreyer. Eine solche Katastrophe habe Rheinland-Pfalz noch nicht erlebt. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Joachim Streit (Bitburg), schätzt, dass allein in der Eifel die Schäden in die Milliarden gehen werden. Auch dort müssten einige Häuser eingerissen werden, weil sie unterspült worden seien. Die Freien fordern den Bund und die Versicherer auf, jedem Bürger Zugang zu einer Elementarversicherung „zu bezahlbaren Prämien“ zu ermöglichen und mehr Geld für Hochwasserschutz und ein besseres Frühwarnsystem.

Mit Sorge blickt Lewentz auf das kommende Wochenende. Es sind erneut heftige Regenfälle vorausgesagt. Diese könnten die Lage in den Katastrophengebieten weiter verschärfen.

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