Meinung Nicht die Lockerungen müssen begründet werden

Die Corona-Maßnahmen werden in Rheinland-Pfalz weitgehend abgeschafft. Nun sollte man keineswegs einen Freedom-Day feiern, aber auch nicht in Panik verfallen, weil der Schutz im Alltag abnimmt.

 Bernd Wientjes

Bernd Wientjes

Foto: TV/klaus kimmling

Kritiker und Befürworter des Endes fast aller Corona-Maßnahmen sollten verbal abrüsten. Weder bedeutet das Aufheben der Maskenpflicht etwa in Geschäften, dass es nun zu einer Durchseuchung kommt, noch kann man angesichts von immer noch sehr hohen Infektionszahlen von einem Freedom-Day reden.

Sicherlich kann man darüber streiten, ob nun der richtige Zeitpunkt, ist, die Masken (fast überall) fallen zu lassen. Aber eines darf man auch nicht vergessen: Ziel der Corona-Maßnahmen war und ist, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Keine Frage: Die vergleichsweise vielen Covid-Patienten (auf den Normalstationen) auch in den Kliniken in der Region bedeuten eine enorme Belastung für das gesamte Personal, das – ebenfalls coronabedingt – derzeit arg ausgedünnt ist. Aber im Vergleich zur zweiten Welle, bei der vor allem die Intensivstationen belastet waren, ist derzeit der Anteil der mit Corona infizierten Krankenhauspatienten deutlich niedriger. Und die meisten von ihnen werden nicht wegen Corona behandelt. Bei ihnen wurde die Infektion quasi als Nebenbefund festgestellt – was allerdings keinen Unterschied macht für den notwendigen Aufwand (Stichworte: Isolierung und verschärfte Hygiene), aber es zeigt, dass Omikron offenbar weniger häufig zu schweren Verläufen führt.

Daher dürfte eine auf bloßen Verdacht ausgerichtete Verlängerung der Corona-Maßnahmen juristisch kaum durchsetzbar sein. Was bei der Diskussion auch immer gerne vergessen wird: Wir leben in einem Verfassungsstaat. Nicht die Lockerungen, also die Rückgabe von Freiheiten, müssen verfassungsrechtlich begründet werden, sondern die Einschränkungen. Wenn es aber dafür keine juristisch einwandfreien Grundlagen gibt, können Corona-Maßnahmen nicht einfach so fortgeführt werden.

Die zum Teil heftig geführte Diskussion über das neue Infektionsschutzgesetz und ausbleibende Hotspot-Regeln zeigt, dass wir in Deutschland noch immer glauben, wir könnten das Virus mit schärferen Gesetzen und möglichst strengen Maßnahmen eindämmen. Vielleicht sollte man einfach mal einen Blick in die Nachbarländer (auch in die, in denen die Impfquote nicht wesentlich höher ist, als in Deutschland) werfen, wie etwa Luxemburg, wo man längst Corona als eine Infektionskrankheit wie andere auch und als normales Lebensrisiko einstuft. Dort setzt man auf Eigenverantwortung statt auf staatlich vorgegebene Regeln. Wir müssen mit Corona leben, das Virus wird nicht verschwinden.

b.wientjes@volksfreund.de

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