Höllenfahrt und Geistergeschichten in Klang gefasst

Trier · Von feinen Melodielinien bis zum erdenschweren Kraftakt: Die Trie-rer Philharmoniker bieten beim 8. Sinfoniekonzert im Theater Trier einen wechselvollen Abend. Die Musiker glänzen vor allem bei den Klängen von Hector Berlioz.

Trier. Es ist immer wieder erstaunlich, welchen Herausforderungen sich das Philharmonische Orchester der Stadt Trier stellt. So wie beim 8. Sinfoniekonzert des Ensembles im Theater Trier. Orchesterchef Victor Puhl hatte ein Programm zusammengestellt, das nicht nur die Zuhörer auf Wege abseits gängiger Klangerfahrung führte. Auch das Orchester hatte sich mit den "Vier letzten Liedern" von Richard Strauss und Hector Berlioz facettenreicher Symphonie Fantastique op. 14 gewaltige Aufgaben gestellt.
Der Abend begann mit der selten gehörten Komposition des Amerikaners John Adams "Short ride in a fast machine" von 1986. Unter Puhls strammem Dirigat vergegenwärtigten die Musiker eindrucksvoll, was dieses Stück außer Motorengeheul ist: archaische Wut und musikalische Massenhysterie, straff an die Zügel genommen von einer klaren Struktur. Das war musikalische Hetzjagd und Höllenfahrt bei klarem Verstand.
Als Hommage an Richard Strauss, dessen 150. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, waren die "Vier letzten Lieder" des Komponisten gedacht. Es blieb bei der Verbeugung. Von Christiane Libors Sopran ist sicher noch Bedeutendes zu erwarten. Für Strauss altersweise, weltentsagende sinfonische Lieder fehlte es ihr allerdings gleichermaßen an stimmlicher Elastizität wie womöglich auch an seelischer Erfahrung. Statt musikalisch in Himmelsfernen aufzusteigen (um es mit dem Dichter Novalis zu sagen) beließ es ihre harte Stimme bei erdenschweren Kraftakten, nicht zuletzt auf Kosten der Verständlichkeit. Und auch die beseelte Wärme der Mittellage war bestenfalls ansatzweise zu spüren. Ausgesprochen mühevoll und unausgewogen geriet auch das Zusammenspiel von Orchester und Solistin. Schön: das Geigensolo im dritten Lied.
Viel mehr überzeugten da Dirigent und Orchester in Berlioz\' großartiger Sinfonischer Dichtung. Erneut zeigte sich, dass Victor Puhl ein Meister der feinen Melodienlinie ist, ein Musiker, der ausgesprochen sensibel den zarten Webfäden der Musik nachspürt. Zudem versteht er sich auf Klangbilder. Puhl ließ eindrucksvoll herausspielen, was an Licht und Schatten, an Wechselfällen und Brüchen in dieser Musik steckt, deren zerbrechliche Schönheit sich jederzeit in Schrecken wandeln kann. Aber auch worauf die Sinfonie gründet, machten die Musiker deutlich. Beethovens "Pastorale" lebte in Berlioz\' "Landleben" fort. Herrlich leicht und leuchtend (vielleicht der schönste Augenblick des Abends) erklang der klangselige Walzer aus der Ballszene. Klangmächtig und bedrohlich marschierte die Musik zum Hochgericht. Zur Hochform lief das Orchester im abschließenden Sabbat Traum auf. Das waren Geistergeschichten und nächtlicher Spuk in Klang gefasst. Die 520 Zuhörer bedankten sich mit anhaltendem Beifall. er

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