Mit Viktoria Tolstoy im Kino

Sie sieht toll aus und fügt ihrem gesanglichen Erfolg nun ein weiteres großes Puzzleteil hinzu: Die inzwischen 42-jährige schwedische Jazzsängerin Viktoria Tolstoy legt mit "Meet Me At The Movies" - drei Jahre nach ihrem Duett "A Moment Of Now" mit dem Pianisten Jacob Karlzon - ein neues Album vor. Dies widmet sich in insgesamt elf Songs ausschließlich der Filmmusik und streift den Titeln jeweils ein äußerst ansprechendes Jazzgewand über.

Mit Viktoria Tolstoy im Kino
Foto: (g_kultur


Die Ururenkelin des großen russischen Schriftstellers Leo Tolstoi (1828-1910) "entblößt" dabei mit ihrer klaren, oft bitterzarten Stimme nicht nur ihre "Russian Soul" (2008), sondern auch ihr "Swedish Heart" (2005), um nur zwei ihrer bisherigen CD-Titel einfließen zu lassen. Auf dem aktuellen Filmsong-Album (Gesamtspielzeit: rund 49 Minuten) finden sich Titel wie Charlie Chaplins "Smile" aus "Modern Times" von 1936 bis hin zu Björks "New World" aus Lars von Triers "Dancer In The Dark" vom Jahr 2000. "Bei allen Stücken kenne ich die Filme", sagt Viktoria, "fast alle gehören zu meinen Lieblingsfilmen - ,Bagdad Café' und ,Dancer In The Dark' sind meine Favoriten - in jedem Fall habe ich eine besondere Beziehung zu ihrer Musik." Tolstoy hat die CD mit einem Gitarrentrio - Mattias Svensson an Kontra- und E-Bass, Krister Jonsson an den Gitarren sowie Rasmus Kihlberg am Schlagzeug - als Grundformation aufgenommen. Von Jonsson stammen auch fast alle Arrangements. Zu dieser Basisband stießen noch zwei illustre Gäste: zum einen bei zwei Stücken Mr Red Horn Nils Landgren mit seiner Posaune und als Sänger sowie der finnische Weltklasse-Pianist Iiro Rantala. Sowohl Tolstoy als auch Landgren und Kihlberg sowie Rantala waren im vergangenen Jahr Gäste in Trier: die drei Erstgenannten bei Landgrens Hommage an Leonard Bernstein open air vor der Porta Nigra. Rantala wurde in der IHK mit dem JTI Jazz Award ausgezeichnet. Ursprünglich hatte Viktoria Tolstoy geplant, ihr Filmalbum mit großer Besetzung, also mit Orchester wie in Hollywood, einzuspielen. Letztlich entschied sie sich jedoch für die formidable kleine Besetzung. "Mit ihr war ich viel freier in der Interpretation dieser ja zumeist sehr bekannten Filmsongs, als ich es mit Orchester gewesen wäre. Sie hat mir meinen eigenen Sound ermöglicht", sagt Tolstoy. So verleiht sie jedem einzelnen Titel seinen ganz eigenen Charakter. Nehmen wir zum Beispiel "As Time Goes By" (2) aus "Casablanca": Der zigtausendmal gecoverte Song wird bestimmt von einem skandinavisch reduzierten Duktus. Viktorias Stimme verleiht dem Titel eine ungeheure Zerbrechlichkeit. Dazu kommen fantastisch perlende Pianoklänge von Rantala (ähnlich auch im Song "Marlowe's Theme", 3,), unterlegt mit diffizilem Schlagzeugeinsatz von Kihlberg. In "Calling You" aus "Bagdad Café" (1989) mit Marianne Sägebrecht von Percy Adlon - in Deutschland bekannt als "Out Of Rosenheim" - glänzt Viktoria mit fast gehauchtem Gesang nach dem Einstieg mit einer virtuosen Basspassage. Dann lässt Nils Landgren seine rote Posaune sprechen ... . Einfach toll! Tolstoys Album macht aus tausendfach runtergeleierten Klassikern und Musicalhits nuancierten Jazz und befreit sie vom orchestralen Bombast. Anspieltipp: das Arrangement von "Kiss From A Rose" nach Seal aus "Batman Forever" (1995), wo sich Viktoria Tolstoy nicht zart und zerbrechlich gibt, sondern eher rau und hart präsentiert. Jörg Lehn
Viktoria Tolstoy, Meet Me At The Movies, ACT 9827-2, ACT Music & Vision, München 2017.

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