Prozess wegen versuchten Mords in der JVA Wittlich Schnitt mit der Klinge geht knapp an Arterie vorbei

Wittlich/Trier · Die Trierer Schwurgerichtskammer hat das Verfahren gegen einen 22-jährigen ehemaligen Gefangenen der JVA Wittlich fortgesetzt, dem versuchter Mord, Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung vorgeworfen werden.

Gericht setzt Verfahren gegen ehemaligen Gefangenen der JVA Wittlich fort
Foto: dpa/Harald Tittel

(f.k.) Der Angeklagte saß im vergangenen Jahr wegen einer anderen Sache in der psychiatrischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wittlich ein. Dort soll er am Morgen des 20. Juli einen Justizbeamten von hinten mit  einer Rasierklinge angegriffen haben (wir berichteten). Der Mann wurde erheblich verletzt. Auch sollen in den Wochen zuvor andere Beamte vom Angeklagten beleidigt, attackiert und bedroht worden sein. Und nach zwei Verhandlungstagen vor der Trierer Schwurgerichtskammer steht fest, dass dieser Häftling in der JVA Wittlich als schwieriger Problemfall galt. Man hatte dort ein besonderes Auge auf ihn. Möglicherweise aber nicht am 20. Juli, als man ihn mit einem Einmalrasierer in der Zelle allein ließ, wo er dann die Klinge ausbauen konnte.

Da der 22-Jährige seit der Jugendzeit offenbar Umgang mit verschiedenen Rauschmitteln hatte und regelmäßig Symptome paranoider Schizophrenie aufweise, geht die Anklage von Schuldunfähigkeit aus. Derzeit ist der junge Mann vorläufig in der Andernacher Fachklinik Nette-Gut untergebracht. Er selbst nennt den Rasierklingen-Vorfall „eine Inszenierung der JVA“, die bisherige Beweisaufnahme vermittelt aber ein ganz anderes Bild.

Den zurückliegenden Verhandlungstag leitete der Angeklagte selbst mit einem Antrag ein: Er möchte aus dem Nette-Gut in eine andere Klinik verlegt werden. Dem Antrag schickt er eine detaillierten Schilderung des Klinikspeiseplans voraus. Das Essen sei für ihn untragbar, es vertrage sich nicht mit den zahlreichen Medikamenten, die er nehmen müsse. Der Antrag wird zur späteren Entscheidung entgegengenommen. Anschließend berichtet ein weiterer Justizbeamter als Zeuge über seine Erfahrungen mit dem Angeklagten – „er war jedoch nicht in meiner Abteilung“. Aber der Beamte kennt ihn dennoch, denn er „hatte einen problematischen Ruf, auch durch seine utopischen Ideen zur Weltverbesserung“. Am 20. Juli war der Zeuge ebenfalls nach dem Alarm zum Tatort geeilt, wo der Kollege bereits versorgt wurde und man den Häftling schon „fixiert“ hatte. „Heute ist ein guter Tag“, habe er immer wieder gerufen.

Eine Mainzer Gerichtsmedizinerin hatte die Verletzung am Hals des Beamten begutachtet. Ihr Befund: ein glatter, zehn Zentimeter langer Schnitt, der an zwei Stellen genäht wurde. Als Tatwaffe in Betracht kommen ein scharfes Messer oder eine Rasierklinge. Allerdings habe für den Betroffenen zu keiner Zeit Lebensgefahr bestanden. Sie sagt aber auch: „Wäre der Schnitt nur etwas tiefer gegangen, hätte die Klinge die Halsarterien durchtrennt und den Verletzten in eine lebensbedrohliche Situation gebracht.“ Ihr Fazit: „Der Angriff war eine lebensbedrohliche Handlung“.

Weiter geht es am Montag, 8. Juni, ab 9 Uhr. Es könnte ein langer Tag werden. Die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz hat angedeutet, dass sie das Verfahren dann gerne abschließen würde. Anklage und Verteidigung möchten sich auf ihre Plädoyers vorbereiten. Auf der Tagesordnung stehen zuvor das psychiatrische Gutachten und ein Zeuge, der bisher zweimal nicht erschienen ist und dann zwangsweise vorgeführt werden soll. Ebenfalls auf dem Plan steht  die Zeugenanhörung von Anstaltsleiter Jörn Patzak. Dabei wird es insbesondere um die Frage gehen, wieso der als Risikohäftling eingestufte Angeklagte unbeaufsichtigt mit dem Einmalrasierer allein in der Zelle gelassen wurde.

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