Aus dem Archiv Mai 2019 „Uns fehlen in Wittlich 1000 Jahre Stadtgeschichte“

Wittlich · Spuren aus der Römerzeit und Gebäudestrukturen aus dem Mittelalter haben Archäologen bei Grabungen in Wittlich gefunden: Doch was hat sich in dem Jahrtausend dazwischen in der Säubrennerstadt abgespielt?

 Die Gebäudestrukturen aus dem Mitelalter wurden vermessen und dokumentiert. Bei Baubeginn werden sie bald verschwunden sein.

Die Gebäudestrukturen aus dem Mitelalter wurden vermessen und dokumentiert. Bei Baubeginn werden sie bald verschwunden sein.

Foto: Christian Moeris

Für den Archäologen Dr. Lars Blöck, Gebietsreferent des Rheinischen Landesmuseums Trier, steht fest: „Wo heute die Stadt Wittlich steht, lebten im ersten bis zweiten Jahrhundert nach Christus Römer.“ Die mehrwöchigen Grabungen des Rheinischen Landesmuseums in der Kirchstraße in Wittlich sind nun abgeschlossen.
Dort, wo für ein geplantes Wohnbauprojekt marode Häuser abgerissen wurden, hatten die Wissenschaftler direkt zu Beginn ihrer Arbeit sensationelle Entdeckungen gemacht. Neben Gebäudestrukturen aus dem Mittelalter (11.- 12. Jhd.) stieß das Grabungsteam dort auch auf Scherben römischer Keramik und fand Teile römischer Dachziegel (der TV berichtete).

 Dr. Lars Blöck, Gebietsreferent Archäologische Denkmalpflege des Rheinischen Landesmuseums Trier, präsentiert einen Fund aus der Römerzeit.

Dr. Lars Blöck, Gebietsreferent Archäologische Denkmalpflege des Rheinischen Landesmuseums Trier, präsentiert einen Fund aus der Römerzeit.

Foto: Christian Moeris

Der TV hat den Archäologen Dr. Lars Blöck gefragt, ob im Laufe der Grabungen noch weitere bedeutende Entdeckungen gemacht wurden und gebeten, das Ergebnis der Grabungsarbeiten in der Kirchstraße zu bewerten. „Leider ist seit den ersten Funden nichts Römisches hinzugekommen“, sagt Blöck.

 Nach einem Gebäudeabriss in der Kirchstraße in Wittlich fanden die Archäologen im Boden Gebäudestrukturen aus dem Mittelalter.

Nach einem Gebäudeabriss in der Kirchstraße in Wittlich fanden die Archäologen im Boden Gebäudestrukturen aus dem Mittelalter.

Foto: Christian Moeris

„Vor allem sind wir nicht so, wie wir es uns erhofft hatten, in die aller frühesten Erwähnungsschichten der Stadt – also bis ins 7. Jahrhundert  – gekommen. Wir haben dort an dieser Stelle nichts zwischen den römischen Jahrhunderten und dem Hochmittelalter gefunden. Damit fehlen uns 1000 Jahre Stadtgeschichte.“

 Überreste einer römischen Fliese (Bild links) und einer römischen Dachziegel (Bild rechts) kommen ans Tageslicht.

Überreste einer römischen Fliese (Bild links) und einer römischen Dachziegel (Bild rechts) kommen ans Tageslicht.

Foto: Christian Moeris

Blöck erklärt deshalb, dass ihm der gewählte Ausschnitt, den die Archäologen mit dem Grundstück in der Kirchstraße bearbeitet haben, zu klein bemessen sei, als dass man daraus Rückschlüsse auf die gesamte Stadtentwicklung ziehen könne. Obwohl er den frühesten Kern der Stadtentwicklung nahe der Kirche St. Markus vermute, sei man auf dieser Parzelle nicht fündig geworden. „Vielleicht liegt der Kern doch etwas nördlicher oder südlicher. Wenn im Rahmen weiterer Bauprojekte dort Häuser abgerissen werden, möchten wir weitere Parzellen untersuchen, damit wir wirklich Einblicke in die Stadtentwicklung bekommen.“

 Römische Ziegel Funde Römerfund Wittlich

Römische Ziegel Funde Römerfund Wittlich

Foto: Christian Moeris

Auf Grundlage der im März gemachten römischen Funde sagt Blöck jedoch mit Überzeugung: „Wittlich war römisch besiedelt, allerdings ist die Form unklar: War es eine Villa oder eine kleine dörfliche Siedlung?“ Diese Frage gelte es bei künftigen Grabungen zu klären.

 Mit Kelle und Pinsel haben sich die Archäologen des Landesmuseums   in die historischen Schichten der Stadt Wittlich vorgearbeitet.

Mit Kelle und Pinsel haben sich die Archäologen des Landesmuseums   in die historischen Schichten der Stadt Wittlich vorgearbeitet.

Foto: Christian Moeris

Funde In der Kirchstraße haben die Archäologen mit den Keramikscherben Überreste „römischen Porzellans“ ausgegraben und zudem Ziegelreste eines römischen Dachaufbaus gefunden. Blöck: „Es sind Überreste von Leistenziegel. Das waren 60 mal 30 Zentimeter große Platten aus gebranntem Ton, die an den Leisten, wo sie sich überlappen, mit Rundziegel abgedeckt wurden.“ Es sei möglich, sagt Blöck, dass diese Ziegel zur Römerzeit in Wittlich hergestellt wurden. Auf die Ziegelreste und Scherben stießen die Archäologen in Gruben. „Das waren römische Vorratsgruben, die man in der Erde anlegte, weil es dort  wie in einer Art Kühlschrank kälter war“, erklärt Blöck. Nachdem diese rechteckig geformten Gruben für die Vorratshaltung nicht mehr benötigt worden seien, habe man sie zur Abfallentsorgung genutzt. Bei den heute für die Stadtgeschichte so wertvollen Funden handelt es sich also um Abfall, der zur Römerzeit in den aufgegebenen Gruben entsorgt wurde.

Damit wurden erstmals römische Spuren in der Kernstadt entdeckt. Allein die römische Villa am Stadtrand, sagt Blöck, lasse nicht den Schluss zu, dass die Siedlung und spätere Stadt Wittlich selbst möglicherweise römischen Ursprungs sein könne.

Mittelalter Das Grabungsteam aus sechs Archäologen stieß in der Kirchstraße auch auf Gebäudestrukturen. „Es sind Grundmauern aus rötlichem Sandstein, die vermutlich aus dem Mittelalter datieren. Ich finde das römische Wittlich spannend, aber der zentrale Punkt für mich ist die mittelalterliche Stadtentwicklung“, sagt Blöck. Den Archäologen interessiert dabei insbesondere, wie sich kleine Mittel- und Zentralorte wie Wittlich zu dieser Zeit entwickelt haben.

Ausblick Zu ihren Funden aus dem Frühjahr, sagt Blöck, sollen in nächster Zeit wissenschaftliche Abhandlungen, die auch für Laien verständlich seien, in Heften des Landesmuseums erscheinen. Zudem könnte man bei genauerer Untersuchung einiger Fundstücke noch auf weitere Entdeckungen stoßen. Denn  die Masse an Objekten, die man in Wittlich aus dem Boden geholt habe, sei noch gar nicht abschließend ausgewertet. Im Rahmen künftiger Neubauprojekte mit Gebäudeabrissen nahe der Kirche St. Markus, wo Blöck das Zentrum der Stadtentwicklung vermutet, werde man weitere Grabungen in Angriff nehmen.

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