Schwere Vorwürfe Vor Wittlicher Amtsgericht 37-Jährige soll Schwiegervater drangsaliert haben: Freispruch

Wittlich · Wegen Beleidigung, versuchter Erpressung und Freiheitsberaubung musste sich eine 37-Jährige vor dem Amtsgericht Wittlich verantworten.

Wegen Beleidigung, versuchter Erpressung und Freiheitsberaubung musste sich eine 37-Jährige vor dem Amtsgericht Wittlich verantworten.
Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

In der Anklageschrift von Staatsanwalt Volker Anton klingt es wie seelische Grausamkeit pur: Beleidigung, versuchte Erpressung und Freiheitsberaubung. Die 37-jährige Angeklagte soll vor einem Jahr ihren 85 Jahre alten, bettlägrigen und pflegebedürftigen Schwiegervater beleidigt und gedroht haben, ihn umzubringen, wenn er ihr nicht 3000 Euro zum Wohnungswechsel nach Trier zahle. Danach habe sie ihn drei Stunden lang eingesperrt, bis er von seinem Sohn, ihrem Ehemann, befreit worden sei.

Die Worte „Du Drecksau und Krüppel“ sollen laut Anton gefallen sein. Tatort sei das Anwesen des Schwiegervaters, einem Unternehmer am Wittlicher Stadtrand gewesen. Zunächst geht es um die gerichtsüblichen Fragen zur Person: Die gebürtige Weißrussin hat in der Heimat Jura studiert – doch der Abschluss gilt hier nicht. Mit ihrem Mann hat sie zwei Kinder, zehn und sechs Jahre alt. Die Familie lebt in einem  großen Haus, der Schwiegervater parterre, in der Wohnung drüber seine Frau und noch eins höher das Paar mit den Kindern. Der Ehemann der Angeklagten leidet an einer seltenen Krankheit und schläft manchmal plötzlich ein. Er und seine Familie werden vom Vater finanziell versorgt. „Ich habe ihn deshalb von der Arbeit freigestellt“, wird der Vater später sagen. Dann bittet der Richter Stefan Ehses die Angeklagte, den 17. Januar 2019 aus ihrer Sicht zu schildern.  Alles sprudelt aus ihr heraus. Der Tatablauf ist aber kaum nachvollziehbar. Nur so viel: Ihr Mann sollte den Kindern oben etwas vorlesen, ist aber darüber wohl eingeschlafen. Dann war plötzlich die Polizei da, und ihr Mann habe den Beamten die Flurtür zum Schwiegervater von außen aufgeschlossen. Ganz klar ist der Sachverhalt nicht, der Staatsanwalt muss korrigiert werden weil er verstanden hat, der Schwiegervater sei eingeschlafen. 

 Schließlich hält der Richter der Angeklagten drei ältere Strafbefehle vor. Auch in diesen Fällen sei es um Beleidigung des Schwiegervaters gegangen. Sie soll ihn auch mal geschlagen haben. „Das war Selbstschutz“, erklärt sie. Er beleidige sie ständig. Außerdem stimme die Anklage nicht. Sie könne gar keine 3000 Euro vom Schwiegervater erpressen, schon weil der nur an den Sohn zahle.  Und in zehn Jahren hätten beide Schwiegereltern nicht ein einziges Mal ihre Enkel angeschaut – und sich nie um sie gekümmert. Und geschlagen habe sie der Schwiegervater auch schon mal vor zehn Jahren.

Verteidiger Thomas Hauprich sagt: „Der Mann ist zwar alt, aber auch kein Unschuldsengel.“ Dann geht es zum Ortstermin. Der Ehemann der Angeklagten macht von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Die Situation parterre wird untersucht und festgestellt, dass man die Tür nicht einfach zuschließen kann. Es gibt noch einen Nebenausgang durch die Waschküche. Schließlich begibt man sich in  das Zimmer des Schwiegervaters und Hauptzeugen. Ein Laie sieht, dass der Mann schwer krank ist. „Kann mich an den Vorfall nicht mehr erinnern, vergesse alles immer gleich“, sagt er. Die Angeklagte nennt er eine „Schwiegertochter auf dem Papier – Verhältnis gleich null“. Richter Ehses hält ihm die Informationen aus den Akten vor. „Drecksau und Krüppel“ bestätigt der Mann, Geld habe sie aber nicht verlangt. Zum Thema Einschließen kommen die Äußerungen nicht deutlich rüber.  Und sie sei wohl geistig gestört, sagt er noch. Die Angeklagte ist nicht mit ins Zimmer gegangen. Sie steht hinten im dunklen Flur. Aus der Richtung ertönt hin und wieder ihr dumpfer Protest: „Alles Lüge.“

Dann geht’s zurück ins Gericht. Dort ist man sich einig: Der Erpressungsversuch ist vom Tisch und die Freiheitsberaubung ebenso. Bleibt da noch die Beleidigung, aber alles sei zu widersprüchlich. Die beiden Polizeibeamten und weitere Zeugen werden ungefragt entlassen. Dann hält Staatsanwalt Anton sein Plädoyer. Für einen Ankläger hat es Seltenheitswert: Er beantragt Freispruch. Dem schließt sich Verteidiger Hauprich an.

Richter Ehses sagt nach dem Freispruch: „Der Umgangston in dieser Familie ist eine Sache für sich, aber keine Angelegenheit für ein Strafgericht. Was wir eben erlebt haben, war mehr eine Sozialstudie.“ Seine Empfehlung: „Man sollte hier mehr auf Abstand achten und wirklich eine andere Wohnung suchen.“

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