Für den Transport müssen die Eltern sorgen

Wittlich · Gemeinden und Kirchengemeinden bereiten sich auf den Ansturm von Zweijährigen vor, die ab August einen Anspruch auf kostenlose Betreuung haben. Aufgrund der Gesetzeslage müssen sich anders als bei älteren Kindern allein die Eltern um die Fahrten zur und von der Betreuungseinrichtung kümmern.

 Die Kindergärten wie in Trier-Feyen sind derzeit meist von Drei- bis Sechsjährigen bevölkert. Ab August kommen viele Zweijährige dazu. TV-Foto: Friedemann Vetter

Die Kindergärten wie in Trier-Feyen sind derzeit meist von Drei- bis Sechsjährigen bevölkert. Ab August kommen viele Zweijährige dazu. TV-Foto: Friedemann Vetter

Für Kinder wie Julian beginnt am 1. August ein neuer Lebensabschnitt - möglicherweise. Denn dann hat der Junge so wie alle anderen Zweijährigen aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich Anspruch auf einen kostenlosen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte oder bei einer Tagesmutter. Und das für bis zu sieben Stunden am Tag.

Jugendamt will sich um Problemfälle kümmern



Ob Julian oder eines der 883 anderen zweijährigen Kinder betreut wird, wird vor allem vom Wohnort des Nachwuchses abhängen. Denn kreisweit soll es ab 1. August rund 730 Betreuungsplätze in Einrichtungen oder bei Tagesmüttern/vätern geben. Offen ist, ob diese Plätze auch dort angeboten werden, wo die Kinder wohnen. Die Kreisverwaltung teilt mit, dass sie sich bei Bedarf um eine geeignete Kindertagespflegestelle kümmern wird. Keine Auskunft gibt es darüber, wo es möglicherweise mehr Nachfrage als Plätze gibt. Der Pressesprecher verweist auf eine Kreisausschussvorlage, in der die Betreuungsplätze in den einzelnen Kommunen aufgelistet werden (der TV berichtete). Laut Vorlage sieht es besonders für Wittlich schlecht aus. Die Stadt ist jedoch dabei, das Angebot zu erweitern.

Für die Unterbringung ist das Jugendamt des Kreises zuständig. Kommunen oder Kirchen bauen und unterhalten die Plätze. Und für den Transport sind die Eltern verantwortlich. Denn Zweijährige dürfen nicht alleine in Bussen mitfahren. Im Fall von Julian kann das bedeuten, dass seine Eltern möglicherweise viel Zeit brauchen. Denn es gibt weder beim zuständigen Mainzer Ministerium noch bei der Kreisverwaltung eine Definition darüber, was unter dem Begriff wohnortnahe Betreuung zu verstehen ist. Nach Auskunft des Kreises wird in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass bei einer Fahrtzeit von 20 Minuten und einer Entfernung von 15 Kilometern pro Weg die Grenze der Zumutbarkeit überschritten ist. Dies entspricht ungefähr der Fahrtzeit- und Strecke zwischen Wittlichs Innenstadt und Bernkastel-Kues oder Wintrich und Zeltingen-Rachtig.

Die Kreisverwaltung geht davon aus, dass es so weit nicht kommen muss. Die Kindertagesstätten befänden sich in der Regel direkt im Wohnort oder in unmittelbar benachbarten Orten, "so dass es bisher hinsichtlich der Fahrtzeiten keine Probleme gab".

Und der Transport im Bus? Der ist nur erlaubt, wenn die Zweijährigen von einem Erwachsenen begleitet werden. Zwar kann Julians Vater ebenfalls im Kindergartenbus mitfahren und dabei auf den Nachwuchs achtgeben. Dies ist jedoch nur möglich, falls Platz im Bus ist, er für die Fahrten zahlt und ein Bus ihn auch wieder zurückbringt beziehungsweise mittags zur Kindertagesstätte oder zur Tagesmutter bringt. Angesichts des meist dürftigen Personennahverkehrs ein eher unmögliches Unterfangen.

EXTRA Betreuungsplätze: 12,4 Millionen Euro haben seit 2008 Bau, Ausbau und Sanierung von Kindertagesstätten im Landkreis Bernkastel-Wittlich gekostet. Die Hauptlast tragen dabei die Träger (Kirchengemeinden, Gemeinden). In vielen Fällen wurden dabei Betreuungsplätze für Kinder zwischen zwei und drei Jahren geschaffen. Bis Anfang August sollen noch 102 Betreuungsplätze fertiggestellt werden. Dann stehen nach Auskunft der Kreisverwaltung für Zweijährige 501 Plätze in Kindertagesstätten und 234 Tagespflegestellen zur Verfügung. (har)

Meinung : An den Kindern vorbei
Die Vorbereitungen der Träger von Kindertagesstätten auf den gesetzlichen Anspruch auf Betreuung von Zweijährigen ab dem 1. August sind ein Paradebeispiel für angebotsorientierte Bedarfsplanung an der Realität vorbei. Anstatt die Eltern zu fragen, ob sie einen Platz für ihr Kind brauchen, haben die Träger gesagt, wie viele Plätze sie anbieten wollen. So kann das nur laufen, wenn solche Plätze eine freiwillige Sache sind. Spätestens im August wird sich zeigen, dass alle Kinder nur untergebracht werden können, wenn die Eltern weite Wege in Kauf nehmen. Die Rechtsprechung mutet Kleinkindern bis zu 15 Kilometern oder 20 Minuten Fahrtzeit vom Wohnort zur Einrichtung zu. Das summiert sich angesichts der am Tag vier notwendigen Fahrten zwischen Wohnort und Einrichtung dann schnell zu einer Strecke und Dauer, die den Anspruch zur Farce werden lässt. Dann kann das Jugendamt zwar behaupten, einen Platz angeboten zu haben, den die Eltern ausschlugen. Den Zweijährigen ist damit jedoch nicht geholfen. Und um die sollte es ja ursprünglich gehen. Oder? h.jansen@volksfreund.de

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