CDU-Vize Klöckner: Gesetz wegen eines verweigerten Handschlags

Mainz · Künftig soll es für Asylbewerber eine Pflicht geben, sich zu integrieren, Deutsch zu lernen und zu arbeiten. Das sieht ein Vorschlag für ein Bundesgesetz vor, dass die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner am Donnerstag in Mainz vorstellte.

Integration fange damit an, dass man sich gegenseitig die Hände reichen, sagt Julia Klöckner. Was vielleicht etwas theologisch klingen mag, hat bei der CDU-Landeschefin jedoch einen doppeldeutigen Hintergrund. Denn ein nicht gegebener Handschlag des Vorstehers (Imam) der Idar-Obersteiner Moscheengemeinschaft - diese hat Klöckner zur Begrüßung nicht die Hand gegeben - ist für die Oppositionspolitiker ein Zeichen für mangelnde Integration. Und für eine bestimmte Denkweise. Dass nämlich vor allem Moslems Frauen nicht als gleichberechtigt akzeptierten würden. Das zeige, dass sich einige der Zuwanderer nicht an Regeln hielten und den hiesigen Lebensstil nicht respektierten, ärgert sich Klöckner seit Tagen.

Fördern und fordern

Und die Parteichefin hat dann auch Beispiele parat, die aus ihrer Sicht zeigten, dass das Verhalten des Idar-Obersteiner Imams kein Einzelfall sei. Etwa von einer Immobilienmaklerin (die zufällig auch in der CDU ist). Ein Syrer habe sich geweigert, mit ihr über eine Mietwohnung zu sprechen, weil er mit Frauen keine Geschäfte mache. Oder von Apothekerinnen, die männliche Moslems nicht bedienen durften.

Und das will Klöckner nun ändern. Mit einem Integrationsgesetz, dessen Eckpunkte sie am Donnerstag unter großem Medieninteresse in Mainz zusammen mit der Fraktionsvize Marlies Kohnle-Gros vorgestellt hat. Tenor: "Wer bei uns Schutz und Hilfe sucht, muss bereit sein, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren." Klöckner fordert gar eine Integrationspflicht. Jeder anerkannte Asylbewerber müsse eine Vereinbarung unterschreiben. Darin verpflichte er sich, Deutsch zu lernen.

Sprachkurse sollen "kein Angebot zur Güte" sein, den Flüchtlingen müsse klar gemacht werden, dass sie Deutsch lernen müssten. Genauso wie sie an Integrationskursen teilzunehmen hätten. Der Bund sei mit dem Gesetz in der Pflicht, die Zahl dieser Kurse auch aufzustocken. Außerdem sollen Asylbewerber verpflichtet werden, sich eine Arbeit zu suchen. "Wir fördern und fordern. Wir reichen den Flüchtlingen die Hand, und erwarten das auch von ihnen", sagte Klöckner.

Wer sich nicht daran halte, dem droht die CDU-Chefin mit Sanktionen. Ähnlich wie bei Arbeitslosen, die etwa nicht nachweisen könnten, dass sie sich regelmäßig bewerben, soll es auch bei Asylbewerbern, die sich nicht an die von Klöckner formulierten Regeln halten, Leistungskürzungen geben. Grobes Fehlverhalten (wie das aussehen soll, konkretisierten die beiden CDU-Politikerinnen nicht) soll notfalls auch Auswirkungen auf den ausländerrechtlichen Status des Asylbewerbers haben, etwa auf die Aufenthaltsdauer. Ausweisungen von anerkannten Asylbewerbern, die sich nicht an das Integrationsgesetz halten, soll es aber nicht geben, betonte Klöckner.

"Wir wollen, dass unser Land so bleibt, wie es ist", begründet sie ihre Vorschläge für das Gesetz, das sie demnächst auch der Bundeskanzlerin vorstellen wolle. Sie sieht darin "einen Beitrag zur aktuellen Debatte" und einen Lösungsvorschlag für die aus Sicht von Klöckner und Kohnle-Gros mangelnde Initiative der Landesregierung, die ankommenden Flüchtlinge zu integrieren.

Ein erster Schritt dazu müsse eine Art Hausordnung sein, die allen in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes ankommenden Flüchtlingen in ihrer Sprache ausgehändigt wird, notfalls auch per Handy-App. Und zwar eine Hausordnung mit Regeln das Zusammenleben in Deutschland. Darin soll es etwa um die hier praktizierte Mülltrennung gehen. Oder darum, dass es eine Trennung von Kirche und Staat gebe. Dass es Religionsfreiheit gibt, dass man über Religion Witze machen kann. Dass Homosexualität legal ist, Zwangshochzeiten und die Leugnung des Holocaustes verboten sind. Dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Und dass man sich eben gegenseitig die Hand gibt.

Populistischer SchnellschussMeinung

Von Bernd Wientjes

Julia Klöckner fühlt sich in ihrer Ehre verletzt. Ein Imam hat ihr nicht die Hand gegeben. Das geht in Deutschland nicht, sagt die CDU-Landeschefin. Hier würden Frauen nicht so behandelt, sie seien gleichberechtigt, würden respektiert. Und weil sie gemerkt hat, welche Wellen der nicht gegebene Handschlag geschlagen hat, hat sie gleich daraus mit heißer Nadel einen Gesetzesvorschlag gemacht. Ein Gesetz, mit dem Flüchtlinge verpflichtet werden sollen, sich zu integrieren.

Und falls nicht, dann…. Ja, was dann eigentlich? Weil sich einer weigert, Frauen die Hand zu geben oder weil er nicht Deutsch lernt, soll er weniger Sozialhilfe bekommen? Oder soll er gar abgeschoben werden? Darin zeigt sich, dass das angebliche Gesetz nur ein populistischer Schnellschuss ist, mit dem Klöckner auf der islamkritischen Welle schwimmen will. Sie hat im Thema Flüchtlinge ihr Wahlkampf-Thema gefunden.

Und man muss ihr zugute halten, dass sie damit eine zeitlang die Landesregierung, die sich in den ersten Monaten des Jahres schwer damit getan, die Wucht der Flüchtlingsproblematik zu realisieren, vor sich her gejagt hat. Doch nun vergaloppiert sich Klöckner, macht aus verletzter Eitelkeit ein Gesetz, das überflüssig ist. Maklerinnen und Apothekerinnen, die von ausländischen Männern nicht ernst genommen werden, sind wohl Manns genug, denen die Meinung zu sagen. Dazu braucht es aber kein Gesetz.
b.wientjes@volksfreund.de
EXTRA


Mit Bauchgefühl und Klöckner-Kritik - Dreyer stellt Buch vor

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, ist sechs Monate vor der Landtagswahl unter die Autoren gegangen. "Die Zukunft ist meine Freundin", heißt das Buch, das am Donnerstag in Berlin vom Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann vorgestellt wurde.

Ihm nötige es Respekt ab, wie die an Multiple Sklerose leidende SPD-Politikerin ihre eigene Krankengeschichte mit dem Aufruf zu einer "ehrlichen Politik" verknüpfe. Süffisant merkte der frühere Vorsitzende der Bischofskonferenz an, die Nähe zur Landtagswahl sei "durchaus angenehm zu spüren". Dreyer erzählte, die wichtigste Erfahrung ihrer Karriere sei: "Handel nicht gegen den Bauch!" Dass sie auch austeilen kann, blitzt im Buch gelegentlich auf. So schreibt Dreyer, sie könne wegen ihrer Krankheit keinen Fünftausender erklimmen. Damit habe sie kein Problem: "Das könnte Sigmar Gabriel auch nicht."

Die frühere Staatsanwältin verteidigte den ungewöhnlichen Buchtitel. Sie wisse, dass Männer darüber lästerten. Das Wort Zukunft sei nun mal weiblich. Den Einwurf eines Reporters, sie hätte das Buch ja auch "Julia ist nicht meine Freundin" nennen können, konterte Dreyer, das sei zu simpel gedacht.

Dann schaltete sie in den Wahlkampfmodus und kritisierte ihre CDU-Herausforderin Julia Klöckner. Diese hatte sich öffentlich empört, dass ihr ein Imam in einem Flüchtlingsheim nicht die Hand geben wollte. "Das war total hochgezogen. Das hätte ich so nie gemacht", sagte Dreyer. CDU-Landeschefin Klöckner stellt nächste Woche ein eigenes Buch vor. (dpa)

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