Jugend- und Sozialarbeit in Trier: Harte Kritik an Sozialdezernentin

Trier · Triers Sozialdezernentin Angelika Birk räume der Jugend- und Sozialarbeit nicht den vom Gesetz gewollten Stellenwert ein - das behauptet Dirk Marmann, der Geschäftsführer der AG Jugendpflege Trier-Saarburg. Birk wehrt sich gegen die Vorwürfe. Die Schuld liege bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion.

 Heiße Diskussion: Im Jugendzentrum Mergener Hof wehrt sich Triers Sozialdezernentin Angelika Birk am 7. November gegen die massive Kritik vieler Vereine und Institutionen. TV-Foto: Friedemann Vetter

Heiße Diskussion: Im Jugendzentrum Mergener Hof wehrt sich Triers Sozialdezernentin Angelika Birk am 7. November gegen die massive Kritik vieler Vereine und Institutionen. TV-Foto: Friedemann Vetter

168.000 Euro spart die Stadt durch die Kürzung der Zuschüsse an die freien Träger der Jugend- und Sozialarbeit. Der Stadtrat hat diese Kürzung im Juni beschlossen - als Teil eines 1,9 Millionen Euro umfassenden Sparpakets, das die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) gefordert hat (der TV berichtete mehrmals). Doch diese Forderung betrifft die sogenannten freiwilligen Leistungen der Stadt (siehe Extra). Und dazu gehören die gekürzten Zuschüsse eben nicht, sagt Dirk Marmann, Geschäftsführer der AG Jugendpflege im Kreis Trier-Saarburg.

"Den Ausverkauf der Kinder- und Jugendarbeit hat der Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollt", sagt Marmann. Er kritisiert die Sichtweise und Argumentation der Trierer Bürgermeisterin und Sozialdezernentin Angelika Birk, die auch während der Podiumsdiskussion im Jugendzentrum Mergener Hof (der TV berichtete) deutlich geworden sei.
Keine freiwillige Aufgabe
"Mit großer Bestürzung haben wir zur Kenntnis genommen, dass die Sozialdezernentin der Stadt Trier zum wiederholten Male in der Öffentlichkeit behauptet, dass es sich bei den Leistungen der Kinder- und Jugendarbeit um eine freiwillige Aufgabe des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe handelt. Diese Aussage ist schlichtweg falsch." Marmann bezieht sich damit auf die Diskussion im Mergener Hof am 7. November. Er betont: "Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz hat hierzu im Februar 2012 eine eindeutige Stellungnahme verfasst, aus der hervorgeht, dass Jugendarbeit eine Pflichtaufgabe der Kommunen ist."

Es sei sehr bedauerlich, dass "eine Ressortchefin dieses Arbeitsbereiches diese Tatsache mit entsprechenden Sparzwängen öffentlich negiert." Marmann definiert das Problem aus seiner Sicht: "Die Gesetzgebung hat keine genaue Höhe der finanziellen Förderung der Jugendarbeit festgehalten, sondern lediglich von einer ausreichenden Personal- und Finanzausstattung gesprochen."

Angelika Birk weist auf TV-Anfrage den gesamten Vorwurf zurück. Seit eineinhalb Jahren habe sie immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich bei den Jugendhilfemaßnahmen um Pflichtaufgaben der Kommunen handelt. "Allerdings hält die Kommunalaufsicht der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, von deren Haushaltsgenehmigung die Stadt Trier abhängig ist, diese Aufgaben für freiwillig." Das habe sie im Mergener Hof kritisiert, betont Birk. "Die freien Träger übernehmen im Jugendhilfebereich Pflichtaufgaben des Jugendamtes." Dies sehe das Jugendhilfegesetz seit Jahrzehnten ausdrücklich so vor: Pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen soll laut Bundes- und Landesgesetzen nicht nur vom Jugendamt selbst getätigt, sondern vorrangig von geeigneten gemeinnützigen Trägern wahrgenommen werden.

Die ADD gibt der Dezernentin den Schwarzen Peter zurück: Die Einordnung als freiwillige Leistung oder Pflichtaufgabe "wird von den Kommunen zunächst in eigener Verantwortung vorgenommen und von uns allenfalls auf die Plausibilität überprüft", sagt Pressesprecherin Eveline Dziendziol.
Eine definitive Einordnung der Sozialzuschüsse in den Bereich der freiwilligen Leistungen bestätigt die ADD-Sprecherin nicht. Stattdessen betont sie: "In den Haushaltsverfügungen legen wir immer großen Wert darauf, dass die Einsparungen auch auf den Bereich der Pflichtaufgaben bezogen werden."
Generell sei es "nicht zielführend, pauschal zu fordern, dass die Kommunen sparen müssen, aber in den Einzelfällen immer zu dem Ergebnis zu kommen, dass gerade an dieser Stelle auf keinen Fall gespart werden darf und kann."Meinung

Schlechter Stil, Frau Birk!
Angelika Birk gegen alle: Die Sozialdezernentin der Stadt Trier begegnet der Kritik von allen Seiten mit Empörung und Zurückweisung. Sie fühlt sich zu Unrecht beschuldigt: Nicht sie selbst, sondern die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) habe die Kürzung der Zuschüsse an die freien Träger der Jugend- und Sozialarbeit zu verantworten, weil sie diese Zuschüsse als freiwillige Aufgaben definiert. Doch das ist offenbar nicht korrekt. Angelika Birk hatte Chancen und Ermessensspielräume, die im Gesamthaushalt sowieso kaum spürbaren, für einzelne Institutionen der Jugend- und Sozialarbeit aber dennoch existenzbedrohenden Kürzungen zu vermeiden. Es ist schon wahrhaftig dreist, alle Verantwortung auf die ADD zu schieben und zu behaupten, dass die Landesbehörde die rechtlich klar definierte Zuordnung der Jugend- und Sozialarbeit zu den Pflichtaufgaben einer Kommune angeblich nicht akzeptiere und anders deute. Das ist schlechter Stil, Frau Birk. j.pistorius@volksfreund.deExtra

Freiwillige Aufgaben: Wie der Name schon sagt, hat die Kommune hier die Entscheidungsfreiheit, ob sie aktiv werden will oder nicht. Wenn sich eine Stadt oder Gemeinde für eine freiwillige Aufgabe entscheidet, ist sie dabei natürlich an die bestehenden Gesetze gebunden. Typische Beispiele für freiwillige Aufgaben sind Theater, Büchereien, Museen, Schwimmbäder und Sportstätten. Pflichtaufgaben: Hier hat die Kommune keine Wahl, Bund oder Land schreiben ihr diese Aufgaben vor. Bei der Umsetzung hat die Stadt oder Gemeinde Ermessensspielräume. Typische Beispiele für Pflichtaufgaben sind der komplette Sozialbereich, Feuerwehr, Schulen und Verkehr. jp

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