TV-Interview Langsam machen, fokussieren, kein Parteisüppchen kochen

Reuth · Ewald Hansen, Beigeordneter der neuen Verbandsgemeinde Gerolstein und ehemals Kritiker der Fusion, hat so seine Ideen, wie das Zusammenwachsen gelingen kann.

 Studiert „sein“ neues Blättchen: Ewald Hansen, Ortsbürgermeister von Reuth und Dritter Beigeordneter der neuen VG Gerolstein.

Studiert „sein“ neues Blättchen: Ewald Hansen, Ortsbürgermeister von Reuth und Dritter Beigeordneter der neuen VG Gerolstein.

Foto: TV/Mario Hübner

 Ein halbes Jahr ist es her, dass sich die drei ehemaligen Verbandsgemeinden Gerolstein, Hillesheim und Obere Kyll zur neuen VG Gerolstein zusammengeschlossen haben. Der TV hat dies zum Anlass genommen, mit dem pensionierten Grundschulrektor und SPD-Mann Ewald Hansen (72) zu sprechen. Der langjährige und wiedergewählte Ortsbürgermeister von Reuth sowie Dritte Beigeordnete der neuen VG Gerolstein und im Vorfeld große Kritiker der Fusion zieht eine erste Bilanz und mahnt zu Geduld, Rücksichtnahme und Gelassenheit – und spricht sich angesichts der vielen „Baustellen“ für eine klare Prioritätensetzung aus.

Herr Hansen, die neue VG Gerolstein ist ein halbes Jahr alt. Welches Zeugnis stellen Sie aus?

Hansen: Ich denke, in den Gemeinderäten – vor allem, wo gegen die Fusion gestimmt wurde – hat sich jeder mit der Situation abgefunden.

Das hört sich wenig begeistert an. Wie ist die Stimmung?

Hansen: Jeder auf der politischen Ebene sieht die Notwendigkeit des Zusammenwachsens. Man kann sich auf Dauer nicht so viel Verwaltung für relativ wenige Menschen leisten. Und in vielen Bereichen macht es einfach Sinn, die Themen größer zu denken und gemeinsam anzupacken, als dass jeder vor sich hin wurschtelt. Ein gutes Beispiel ist die Jugendarbeit. Aber da tut sich ja bereits was, damit wir das künftig einheitlich gestalten und nicht wie bislang, wo es in Gerolstein anders als in Hillesheim gehandhabt wurde und an der Oberen Kyll gar nichts mehr passiert ist.

Und dennoch war in den ersten Sitzungen zu spüren, dass jeder noch für seine „alte“ Region kämpft. Teilen Sie den Eindruck?

Hansen: Das trifft nicht nur auf die „alte“ Region zu, sondern auch auf die politische Heimat. Anfangs waren die Grabenkämpfe doch stark ausgeprägt. Das hat man ja alleine bei der Beigeordnetenwahl gesehen. Außerdem hat jede Fraktion versucht, sich durch eigene Anträge zu profilieren.

Mit dem Ergebnis, dass die Tagesordnungen gesprengt wurden und die Verwaltung das nie in adäquater Zeit abarbeiten kann.

Hansen: Richtig. Aber ich hoffe und denke, dass sich das legt. Ich habe den Wunsch, dass wir uns eindeutig Schwerpunkte setzen, um uns nicht zu verzetteln. Und wir sollten uns auch nicht in parteipolitischen Spielchen aufreiben. Dafür hat uns der Bürger nicht gewählt, sondern er wünscht sich Sacharbeit.

Welche Schwerpunkte sollten das Ihrer Meinung nach sein?

Hansen: Die Schulsanierungen im Gesamtvolumen von rund 15 Millionen Euro stehen ganz oben. Allein das wird schon ein immenser Aufwand für alle Beteiligten in Politik und Verwaltung. Wichtig ist auch, das Thema Wasserversorgung an der Oberen Kyll, wo es die Nitratproblematik gibt, rasch in den Griff zu kriegen. Zudem sollten wir uns um eine einheitliche Jugendarbeit und touristische Vermarktung kümmern. Aber bitte nicht noch mehr Baustellen aufmachen!

Wie wollen Sie als Beigeordneter das ganz konkret hinbekommen?

Hansen: Ich werde kein Parteisüppchen kochen, sondern immer das große Ganze im Blick haben.

Das große Ganze? Sie galten doch als vehementer Gegner der Fusion, wollten stets lieber nach Prüm.

Hansen: Ich habe mich schon längst mit der Fusion arrangiert. Damals war ich für den Anschluss an Prüm, weil es in allen Gemeinden nördlich von Stadtkyll schon immer eine Tendenz dorthin gegeben hat: Die Schüler sind nach Prüm gegangen, die Leute haben dort eingekauft, die Busverbindungen waren immer besser als die nach Jünkerath oder Gerolstein. Aber vor allem gab es eindeutige Bürgerentscheide, und denen haben wir Ortsbürgermeister uns verpflichtet gefühlt. Als dann im Innenausschuss, wo Landrat Thiel mit Verfassungsklage gedroht hatte, klar wurde, dass es in die andere Richtung geht, habe ich der Realität ins Auge geblickt. Und mich in der Lenkungsgruppe zur Vorbereitung der Fusion engagiert.

Und was machen Sie dafür, dass das Zusammenwachsen gelingt und sich die Politik weder verzettelt noch in Grabenkämpfe verstrickt?

Hansen: Ich habe schon bei zwei Fraktionssitzungen der SPD eindringlich appelliert, mal etwas langsam zu machen. Meine Beigeordnetenkollegen- und -kollegin, mit denen ich hundertprozentig gut zusammenarbeite, könnten ebenso auf ihre Fraktionen Einfluss ausüben. Denn ich denke, dass die neu zusammengewürfelte Verwaltung gut zwei Jahre brauchen wird, bis sie wieder genauso effizient arbeitet, wie es die drei Verwaltungen bislang getan haben.

Was sagen die Bürger, vor allem an der Oberen Kyll, zur Fusion?

Hansen: Ich denke, es gibt keine Unzufriedenheit, eine Klage habe ich bislang jedenfalls noch von keinem Bürger gehört. Wieso auch? Durch die drei Bürgerbüros in Gerolstein, Hillesheim und Jünkerath, wo alle Verwaltungsdinge erledigt werden können, reicht das Angebot für die Bürger völlig aus. Nur wir Ortsbürgermeister müssen jetzt etwas weiter bis nach Gerolstein fahren. Aber das ist sicherlich nicht maßgeblich.

Und vom Gefühl her: Werden sich die Reuther, Hallschlager, Stadtkyller je als Gerolsteiner bezeichnen?

Hansen: Nein, natürlich nicht. Die Obere-Kyller werden immer Obere- Kyller bleiben, und die Reuther ganz konkret Reuther. Aber das ist auch überhaupt kein Problem. An der Oberen Kyll waren selbst zum Schluss nach 40 Jahren gelegentlich die früheren Amtsverwaltungen Birgel und Stadtkyll noch nicht aus den Köpfen, was man bei vielen Diskussionen noch spüren konnte. Die neue VG Gerolstein ist nur eine Verwaltungseinheit. Aber ich denke: Irgendwann wird es sich in den Köpfen festsetzen, dass wir jetzt alle zur VG Gerolstein gehören.

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