Pizza und Haxe

Berlin. Von heute an können Besucher die Grüne Woche in Berlin besuchen. Schon gestern schaute Landwirtschaftsminister Horst Seehofer vorbei – zum ersten Mal als Bundesminister.

Horst Seehofer grinst: "Schaut ein bisschen verunglückt hier aus, gell?" Das ist untertrieben. Gerade hat der Agrarminister versucht, Rindswurst aus leicht verdaulichem Rapsöl anstelle von Rinderfleischfett herzustellen. Doch die Wurst kommt so schnell aus der Maschine geschossen, dass Seehofer ein Fleisch-Chaos hinterlässt. Die kecken Bilder vom CSU-Mann mit weißer Kappe, Schürze und mit fettigen Fingern sind jedoch im Kasten. Damit muss der Bayer leben, wie schon seine Vorgängerin Renate Künast. Wenn in Berlin Grüne Woche ist, dann hat der zuständige Bundesminister einiges in sich hineinzustopfen. Seehofer flitzt durch die auf Fußball-WM getrimmte Sonderausstellung seines Ministeriums "Fair play auf allen Feldern". Die Zeit drängt, Agrarjournalisten warten, und außerdem ist das Ausstellungskonzept ja noch von Künast abgesegnet worden. Die Unterschiede zwischen dem Mann aus Bayern, dem vermeintlichen Bauernfreund, und der Großstadtpflanze, der angeblichen Verbraucherfreundin, sind eindeutig. "Grüß Gott" zur Begrüßung hätte Künast nie gesagt, und mit Fleischverarbeitung hat die Grüne mit dem Öko-Geschmack stets ihre Probleme gehabt. Seehofer mag es deftig, ab und an Pizza, Nudeln, und "gelegentlich grill ich mir auch eine Schweinshaxe", verrät er. Legt man diesen Speisezettel zugrunde, kann man in der Tat den Rückschluss ziehen, dass dem neuen Minister mehr an der konventionellen als an der ökologischen Landwirtschaft gelegen ist. Seine Vorgängerin hat ihm bereits eine Rolle rückwärts in der von ihr gewendeten Agrarpolitik vorgeworfen. Seehofer kontert: "Wenn sie im Turnen eine Rolle rückwärts gut machen, kriegen sie Höchstnoten." Um eine fesche Antwort ist er eben nie verlegen. Auf der Grünen Woche wird gegessen, was die Landwirtschaft hergibt. Diese Messe ist mit rund 1700 Ausstellern und jeder Menge Fachpublikum aber auch ein Ort für agrapolitische Debatten und Weichenstellungen. Diesmal steht sie zudem im Zeichen des Gammelfleisch-Skandals und der Vogelgrippe. Seehofer hatte den Organisatoren empfohlen, auf Geflügel zu verzichten. Nachgekommen ist man dem nicht. Er nimmt es mit einem Schulterzucken hin. Sowieso will er ausgleichen, das ist seine Maxime. In der Landwirtschaft sei bisher nicht fair mit den unterschiedlichen "Produktprofilen" umgegangen worden, sagt der 56-Jährige, bevor er zum Käsehäppchen greift. "Ich möchte Partnerschaft, nicht Kumpanei", ergänzt der Minister. So hört sich jemand an, der eigentlich keinem wehtun will. Allein, anders zu sein als die kratzbürstige Künast und weniger ideologisch daher zu reden, wissen Insider, reiche momentan noch, um in der Branche weitgehend gefeiert zu werden. Doch irgendwann muss auch Seehofer mehr bieten. Denn die Kritiker machen mobil. Seinen Schulterschluss mit dem Bauernverband deutet mancher als puren Lobbyismus - Bauernpräsident Gerd Sonnleitner ist Bayer, Seehofer auch, man versteht sich. Verbraucherschützer werfen ihm Gleichgültigkeit gegenüber den Interessen der Konsumenten vor, seit Seehofer die Förderung des Ökolandbaus - Künasts Spielwiese - in Frage gestellt hat. Und seit er offenbar gentechnisch veränderten Pflanzen zum Durchbruch verhelfen will. "Es gibt keine Strafaktion bei den Sparmaßnahmen", wehrt Seehofer Kritik ab, er wolle den Ökolandbau platt machen. "Wir werden insgesamt sparen müssen." 200 Millionen Euro im nächsten Haushalt.

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