Das Anspruchsdenken ist das Problem

Wir Deutschen sind schon ein komisches Volk. Wir zeigen in der Euro-Krise mit dem Finger auf Länder wie Griechenland und Italien und beklagen uns über die dortigen Schuldenkönige, für die wir geradestehen müssen.

Dabei sollten wir zunächst vor der eigenen Tür kehren, denn wir selbst haben unsere Hausaufgaben nicht erledigt.
Bund, Länder und Kommunen schieben riesige Schuldenberge vor sich her, die weiter wachsen. Dass es bislang bei uns noch nicht so schlimme Folgen wie in anderen europäischen Ländern gibt, verdanken wir unserer hohen Wirtschaftskraft. Deutschland ist deshalb höchst kreditwürdig und bekommt günstige Finanzierungskonditionen.
Auf Dauer kann das Spiel aber nur funktionieren, wenn die Schuldenberge abgetragen werden. Und hier fängt das Problem an. Wo immer zum Beispiel das Land sparen will, regt sich Protest. Sei es bei der Justizreform, sei es bei der Reform der Kataster- und Vermessungsämter, sei es bei der Beamtenbesoldung.
Das Land schickt sich nun auch an, mit einem Kommunalen Entschuldungsfonds Kreise, Städte und Gemeinden beim Schuldenabbau zu unterstützen. Es ist zugegebenermaßen eine kleine Hilfe, aber immerhin ist es eine. Doch schon wird in den kommunalen Räten lamentiert, der erforderliche eigene Drittelbeitrag sei kaum aufzubringen, die Zitrone sei ausgequetscht.
Letztlich wachsen die Schuldenberge nur aus einem einzigen Grund: Unser Anspruchsdenken ist zu hoch. Und Politiker trauen sich zu selten, Klartext zu reden. Notwendig wäre eine konsequente Überprüfung der staatlichen Aufgaben auf allen Ebenen. Alles, was der Staat erledigt, kostet Geld, vor allem für sein Personal. Wenn der Bürger also nach dem Staat ruft, muss er sich immer vergegenwärtigen, dass er damit seine Geldbörse öffnen muss.
Da genau das in den seltensten Fällen geschieht, wird am Personalbestand der öffentlichen Verwaltungen kaum gerüttelt. Man sucht beim Schuldenabbau nach anderen Wegen. Siehe da: Auch das geht letztlich immer zulasten des Bürgers. Ihn treffen höhere Steuersätze und Abgaben. Und er muss Abstriche bei den Angeboten der Kommunen in Kauf nehmen, denn nichts anderes bedeutet es, wenn sie sparen.
Das eigene Anspruchsdenken zu reflektieren, gelingt uns kaum. Wir wollen Schulen mit vielen Lehrern, Frei- und Hallenbäder, Bürgerhäuser, Theater, gute Straßen, Bus- und Bahnverbindungen. Wir wollen Zuschüsse für unseren Verein und dem Finanzamt bei der Steuererklärung ein Schnippchen schlagen. Die Rechnung in Form wachsender Schuldenberge interessiert uns kaum. Wir Deutschen sind schon ein komisches Volk.
f.giarra@volksfreund.de

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