Regierungschef ohne Rückgrat

Nach fast 18 Jahren als Regierungschef in Rheinland-Pfalz erlebt Kurt Beck in diesen Tagen die düstersten Stunden seiner politischen Karriere. Schon das Scheitern als SPD-Bundesvorsitzender 2008 war für ihn ein Schlag ins Kontor.

Dass aktuell in seiner Heimat seine Reputation auf dem Spiel steht, trifft ihn aber sicher noch viel mehr.
Der Pfälzer hat ohne Zweifel im Laufe der Jahre sehr viele positive Dinge in diesem Bundesland bewegt. Die Arbeitslosenzahlen verharren auf niedrigem Niveau, die Wirtschaft boomt, Ganztagsschulen sprießen wie Pilze aus dem Boden, die Kinderbetreuungsquote kann sich sehen lassen.
Dennoch hat Kurt Beck aufgrund der Nürburgring-Pleite mit ihren dramatischen Folgen für den Steuerzahler - mehr als 300 Millionen Euro sind eine gewaltige Hypothek - das für jeden Politiker wichtigste Gut verloren: seine Glaubwürdigkeit. Er lässt die stets von anderen verlangten Tugenden wie Anstand, Ehre und Moral vermissen. Er redet nur von Übernahme der Verantwortung für den Ring-Schlamassel. Er drückt sich vor den Konsequenzen, die er seinem einstigen Finanzminister Ingolf Deubel abverlangt hat.
Der Ministerpräsident wird den Misstrauensantrag der CDU überstehen, weil sich die rot-grüne Koalition an den Machterhalt klammert und ihm beisteht. Ruhigen Gewissens in den Spiegel blicken kann Beck nicht mehr, denn er hat am Nürburgring das Gegenteil von dem getan, was er mit seinem Amtseid geschworen hat: zum Wohl der Bürger zu arbeiten. Das ist angesichts seiner anderweitigen Erfolge tragisch. Diejenigen, die ihn stützen, müssen sich fragen lassen, welchen gewichtigeren Anlass für einen Rücktritt eines Politikers es in dieser Republik noch geben kann als das Verschleudern von Vermögen des Bürgers. In der freien Wirtschaft würden Vorstände von Aktienunternehmen nach einem solchen Debakel vom Hof gejagt, selbst wenn sie in den Jahren zuvor den Wert der Aktien gesteigert hätten.
Wenn die Grünen behaupten, die Probleme am Nürburgring lösen zu wollen und hundertprozentig glaubwürdig zu sein, führen sie das Wahlvolk gezielt in die Irre. Sie wissen nur allzu gut, dass nach der Insolvenz der Nürburgring GmbH nicht mehr Politiker an der Rennstrecke das Sagen haben, sondern allein die privaten Sanierungsexperten.
Die CDU hat keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. Es ist zwar ihr gutes Recht, das Instrumentarium der Verfassung vollständig zu nutzen. Leider geschieht aber auch das nicht zum Wohle des Volkes, sondern soll Schlagzeilen produzieren und Kameras anlocken. Über den rüden Umgang der Regierung mit ihr als Opposition zu lamentieren, ist daher nur Heuchelei.
f.giarra@volksfreund.de

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