Schwarz-gelbe Scherben

Das Superwahljahr 2011 ist Geschichte. Der jüngste Urnengang in Berlin war der Schlusspunkt von insgesamt sieben Landtagswahlen.

Zieht man einen Strich darunter, so haben die Bürger das getan, was sie immer bei solchen Gelegenheiten mehr oder weniger bewusst tun, nämlich der amtierenden Bundesregierung einen Denkzettel verpasst. Die Opposition ist im Aufwind, und Schwarz-Gelb ist verblasst, wobei die Farbe Gelb kaum mehr erkennbar scheint. Also alles wie gehabt, eine normale Pendelbewegung im politischen Ablauf?
Nicht ganz. Selten hat eine Bundesregierung schon zur Halbzeit der Wahlperiode so abgewirtschaftet wie das Bündnis aus Union und FDP. Als Traumkoalition waren sie angetreten, ein politischer Alptraum sind sie schon jetzt. Und als solcher drohen sie auch zu enden. In erster Linie bekämpft sich diese Regierung selbst.
Noch ist Angela Merkel nicht zum Synonym für das schwarz-gelbe Scheitern geworden. Noch nicht. Merkel wird auch kaum den Schröder machen. Wenn es politisch heikel wurde, hatte der SPD-Kanzler die Vertrauensfrage gestellt. Auf diese Weise führte er sogar vorgezogene Neuwahlen herbei. Bei Merkel ist dergleichen unvorstellbar. Sie würde sich wohl auch nichts anmerken lassen, wenn es Ende September im Bundestag keine Regierungsmehrheit für die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms gäbe. Die Opposition sichert ja die nötige Stimmenzahl. Dabei sehen breite Bevölkerungsschichten in Griechenland ein Fass ohne Boden, grassieren die Ängste vor einem Verlust der privaten Ersparnisse. Eine Regierung, die in einer so zentralen Frage wie Europa über Kreuz liegt, sollte eigentlich das Handtuch werfen. Würde Merkel wirklich ein Machtwort sprechen, müsste sie allerdings nicht nur der FDP den Stuhl vor die Tür setzen, sondern der CSU gleich mit. Denn auch in der bayerischen Schwesterpartei der Christdemokraten rangiert das parteitaktische Kalkül vor der staatspolitischen Verantwortung. Das verkompliziert die Lage für die Kanzlerin zusätzlich.
Wie geht es nun weiter? Die optimistische Variante besteht darin, dass die FDP die Berlin-Wahl als heilsamen Schock wahrnimmt, ihrem populistischen Euro-Skeptizismus entsagt und sich die Koalition zusammenrauft. In der Hauptstadt jedenfalls war damit kein Blumentopf zu gewinnen. Die Liberalen wurden förmlich pulverisiert. Dieser Umstand könnte für eine Besinnung auf die Sacharbeit sorgen. Möglich aber auch, dass der liberale Gau die ohnehin schon instabile Koalition weiter beschädigt. Spätestens dann muss Merkel die Reißleine ziehen. Selbst eine Minderheitsregierung wäre immer noch besser als ein schwarz-gelbes Siechtum bis zum nächsten regulären Wahltermin im Herbst 2013.

nachrichten.red@volksfreund.de

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