Politik und Medien Dubiose Affäre

Zum Kommentar „Der Fall Strache geht nicht nur Österreich an“ (TV vom 20. Mai) schreibt Wolfram Bauer:

Zunächst sei festgestellt, dass der Fall Strache natürlich einen Skandal darstellt und Konsequenzen erforderlich macht. Darüber braucht nicht diskutiert zu werden. Irritiert ist man über den Zeitpunkt der Veröffentlichungen. Die Regierungskoalition hätte womöglich schon in ihrer Entstehung (!) in Österreich nie stattgefunden, wenn man das Video Ende 2017 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hätte. Dass dies nicht geschah, ist ebenso erstaunlich wie interessant. Generell gehört es zum Repertoire von Geheimdiensten, Politiker durch illegale Abhörmethoden und Videoaufnahmen erpressbar zu machen. Und spätestens hier wird die ganze Affäre dubios und verlangt nach einer juristischen Aufarbeitung.

Ebenso sei angemerkt, dass Parteienfinanzierungen, Korruption und Einflussnahme auf Presseorgane kein alleiniges Phänomen von nur einer Partei sind, sondern sie sind und waren immer parteiübergreifend. Die FDP hat ihren Fall Möllemann als Visitenkarte, der alle Dimensionen sprengte und die Partei bis zu einer Bedeutungslosigkeit brachte. Und auch die etablierten Großparteien haben ihre Spendenaffären, die bis in Millionenhöhen von Großkonzernen reichten. (Heute besser umschrieben als Lobbyarbeit, via Bundestag bis nach Brüssel.) Wie stark die Einflussnahme auf die Politik ist, kann man allein am VW-Skandal unschwer erkennen. Und wie ambivalent Grenzen zu verorten sind, das haben uns Kohl und Schäuble in eigener Regie vorgeführt.

Was Korruption betrifft, so erleben wir auch hier eine politische Ambivalenz, wie Hahn oder der Nürburgring mit dubiosen Finanziers oder Verhandlungspartnern aus dem Ausland gezeigt haben. (Man stelle sich vor, man hätte hier heimlich gefilmt und die Gespräche aufgezeichnet, um sie dann der Öffentlichkeit zu präsentieren.) Ebenso dürfte bekannt sein, dass weite Teile unserer Presse und der öffentliche Rundfunk und das Fernsehen einem politischen Einfluss unterliegen, wo letztendlich die politische Gesinnung und das Parteibuch entscheidet. Dies alles rechtfertigt niemals das Verhalten eines Herrn Strache und muss Konsequenzen haben. Aber solche privaten und politischen Verfehlungen nur den Rechtsextremen auf die Fahne zu schreiben, widerspricht den Erfahrungen und der Realität.

Hier wird in der Zukunft der Grund zu suchen sein, warum sich die europäische Landschaft verändern wird. Dabei geht es weniger um die Abschaffung der EU, sondern um die Frage: Wollen wir einen überregional konformistisch gesteuerten EU-Staat beziehungsweise, wo zieht man die Grenzen zu den nationalen Interessen und Belangen? Es gibt keine klaren Aussagen und Zielrichtungen, auf die sich die EU bisher einigen konnte. Der EU-Ausstieg der Briten war die Folge. Keiner kann so dumm sein, gegen Europa zu sein. Aber bis dato gelingt es den Prota­gonisten in Brüssel nicht einmal, hier eine adäquate Zukunftsvision zu entwickeln, auf die sich die Europäer vereint berufen können.

Wie dumm hält man eigentlich den Bürger, der sich lieber nach seinem eigenen Verstand und Gewissen orientiert, siehe Kant, und versucht, sein eigenes Bild vom politischen Alltag zu machen und ihn deshalb als Europafeind diskreditiert?!

Wolfram Bauer, Nittel

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