Vinyl der Woche: No More Drama – Mary J. Blige Kurztrip in die Bronx, sind Sie dabei?

Serie | New York · Am 11. März wird Mary J. Blige 50 Jahre alt. Auch wenn die Corona-Pandemie einen Besuch bei der Rapperin in den Bronx unmöglich macht, geht das ganz einfach: No More Drama auflegen, Song zwei, Augen schließen – schon wird aus der Heimat das ferne New York.

 No More Drama von Mary J. Blige

No More Drama von Mary J. Blige

Foto: Band

Wie entsteht eigentlich diese Kolumne? Na gut, ausnahmsweise nehme ich Sie heute ganz exklusiv mit in den vinyl’schen Schaffungsprozess meiner kleinen Musikgeschichts-Serie. Alles steht und fällt natürlich mit einem Anlass. Ganz ehrlich? Manchmal ist es wirklich schwer, diesen zu finden. Komischerweise sind die Kolumnen, bei denen nicht lange vorher glasklar ist, worüber ich schreibe diejenigen, die mir persönlich am besten gefallen. Vielleicht klappt das ja auch heute. Abwarten.

Denn diese Woche fiel es mir wirklich nicht leicht zu bemerken, dass Mary J. Blige am Donnerstag 50 Jahre alt wird. Fast wäre mir der Geburtstag einer der begabtesten Rapperinnen aller Zeiten durchgerutscht. Glück gehabt! So sitze ich also in meinem Hochwald-Home-Office, lege Bliges No More Drama auf. Song eins überspringe ich. Song zwei genieße ich. Family Affair. Der Beat macht es unmöglich, seine Arme nicht so zu bewegen, als befinde man sich nicht in der Region, sondern wahlweise in einem Club, auf einem Konzert – oder auf den Straßen von Bliges Herkunfts-Stadttein Bronx in New York. Die Arbeit endet, das Vergnügen beginnt.

Denn ab diesem Moment schießen mir all’ die Geschichten in den Kopf, die ich in unzähligen Dokumentationen, Büchern, Zeitschriften, Blog-Artikeln oder in Gesprächen mit älteren Zeitgenossen erfahren habe (letzteres im Falle von Mary J. Blige eher weniger). Wie diese: Family Affair entstand eigentlich ganz nebenbei. Denn der Produzent – niemand geringeres als der geniale Dr. Dre – arbeitete zu dieser Zeit im Jahre 1991 am Film Training Day mit Denzel Washington und Ethan Hawke. Ganz nebenbei produzierte er die Vocals für Family Affair. Einen Song, dessen Beat er eigentlich für den Rapper Rakim vorgesehen hatte.

Doch das Demo gerät in die Hände von Mary J. Blige. Diese beschließt, selbst einen Text auf den Beat zu schreiben. Dazu tut sie sich unter anderem mit ihrem Bruder Bruce Miller zusammen. Kommt daher der Name Family Affair (zu deutsch: Familiensache)?

Ehrlich? Keine Ahnung. Auch das gehört zum Schaffensprozess einer solchen Kolumne. Niemand weiß alles. Nicht ich, nicht das Internet. Vielleicht weiß nur Mary J. Blige, wie es zu dem Namen kam – denn die Wörter Family Affair kommen im Text nicht ein einziges mal vor. Vielmehr handelt der Song davon, sich auf der Tanzfläche (oder zu Corona-Zeiten im Home-Office) auszutoben. Unterstellen wir einfach mal, dass Mary J. Blige eine gewiefte Geschäftsfrau ist ... denn der Name lässt den Song erst zum Hit werden. Durch die harmlosen Worte Family Affair spielen den Titel auch Radiosender, die eher auf eine betagtere Hörerschaft ausgerichtet sind.

Die wahrscheinlichste Erklärung (auch diese ist nicht verifiziert), ist jedoch diese: Bliges Mentor Sean Combs (den kennen Sie vielleicht besser als P. Diddy) nannte seine Crew stets seine Familie.

Oh, wir sind schon am Ende der Kolumne? Naja, wie gesagt: Wenn das Thema mal steht, geht der Rest schnell.

In der Kolumne „Vinyl der Woche“ stellt der Trierische Volksfreund wöchentlich eine Schallplatte vor – von Neuerscheinungen, über besondere Alben bis hin zu Klassikern. Alle Serienteile finden Sie hier.

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