Endlich drin in Schloss und Amt

Anderswo fahren Staatsoberhäupter mit der Kutsche zur Amtseinführung, oder sie laufen wie Barack Obama zu Fuß durch die begeisterten Massen. Im monarchiefernen Deutschland geht es deutlich dröger zu.

Berlin. Als Christian Wulff nach überstandenen militärischen Ehren vor dem Schloss Bellevue in Berlin dem Volk zuwinkt, ruft nur einer aus der Ferne etwas zurück. Er steht bei einer Gruppe von Schaulustigen, die das Geschehen vom Zaun der WM-Fanmeile aus verfolgen. Ansonsten ist nur noch das Bellen eines Hundes der Bundespolizei zu vernehmen, der jedes Mal wild anschlägt, wenn die Ehrenformation ihre Stiefel auf das Pflaster knallt. Dann, um 14. 30 Uhr ist der zehnte deutsche Bundespräsident drin in Schloss und Amt. Mit ihm seine Frau Bettina, dahinter Tochter Annalena (16).

Die Amtsübergabe verläuft völlig unspektakulär. Das ist auch Horst Köhler geschuldet, der mit Ehefrau Eva-Luise gekommen ist und offenbar nicht im Zorn zurückblickt. Er lächelt freundlich in alle Richtungen. Staatssekretär Hans-Jürgen Wolff ist deutlich unentspannter. Kein Wunder: Die Begrüßung seines früheren Chefs und dessen Nachfolgers im Schlosshof dürfte seine letzte Amtshandlung gewesen sein. Dem ehrgeizigen 51-Jährigen, der Anfang des Jahres zum Staatssekretär aufgestiegen war und einigen Streit ins Präsidialamt gebracht hatte, winkt ab Montag der einstweilige Ruhestand. In Niedersachsen wird bekannt gegeben, dass Wulffs Staatskanzleichef Lothar Hagebölling Nachfolger wird. Vielleicht aus Trotz, vielleicht aus Treue zu Köhler stellt sich Wolff nach der Begrüßung der Präsidentenpaare mit ins Bild.

Schäuble verweigert den Abschiedsbeifall



Zu Köhlers Zufriedenheit trägt bei, dass er bei der vor angehenden kurzen Zeremonie im Bundestag von allen Rednern gewürdigt wird. Von Wulff, von Bundesratspräsident Jens Böhrnsen und von Bundestagspräsident Norbert Lammert, der findet: "Horst Köhler hat sich um unser Land verdient gemacht." Noch am Mittwoch, als Köhler nicht im Saal saß, hatte Lammert bei der Eröffnung der Bundesversammlung wegen der Umstände des Köhler-Rücktrittes deutlich kritischer gesprochen: "Niemand steht unter Denkmalschutz. Nicht einmal das Staatsoberhaupt. Kritik muss sein." Wolfgang Schäuble ist solche Heuchelei offenbar zuwider. Als alle aufstehen und Köhler ihren wenig engagierten Abschiedsbeifall geben, rührt er keine Hand.

Die Szenerie im Bundestag erinnert an Mittwoch mit den dramatischen Wahlgängen. Die Bestuhlung der Bundesversammlung steht noch, auf den Tribünen sitzen die gleichen Ehrengäste, auch Altpräsident Herzog und der unterlegene Bewerber Joachim Gauck. Der winkt fröhlich in die Runde. extra Christian Wulff startet mit hoher Anerkennung bei den Bürgern in sein neues Amt. Das ergab eine Umfrage von Infratest dimap unmittelbar nach seiner Wahl. Im ARD-Deutschlandtrend waren mehr als zwei Drittel der Befragten der Meinung, Wulff werde ein guter Präsident. Vor der Wahl hatte Gegenkandidat Joachim Gauck in Umfragen vor Wulff gelegen.

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