Kritik an Militärs: "Kaschieren und schönreden hilft nicht"

Die militärische Führung der Bundeswehr nimmt nach Ansicht des scheidenden Wehrbeauftragten des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), die Probleme der Soldaten im Auslandseinsatz zu wenig wahr.

Berlin. Seit Jahren schon beklagt der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, Mängel bei Ausrüstung und Ausbildung der Bundeswehr. Im Mai wird Hellmut Königshaus (FDP) das Amt des Wehrbeauftragten übernehmen. Mit dem aus dem Amt scheidenden Reinhold Robbe sprach unser Berliner Korrespondent Hagen Strauß.

Herr Robbe, hätten die tragischen Ereignisse am Karfreitag nahe Kundus verhindert werden können?

Robbe: Das ist eine Frage, die zum jetzigen Zeitpunk nicht beantwortet werden kann. Denn die Geschehnisse mit den furchtbaren Folgen sind noch nicht ausgewertet.

Das heißt, Sie schließen sich den Grünen an, die eine Untersuchung fordern?

Robbe: Die muss man nicht fordern. Die Überprüfung und die Nacharbeitung eines so schlimmen Vorfalls erfolgt automatisch durch alle zuständigen Stellen der Bundeswehr. Und auch vom Wehrbeauftragten.

Sie haben Kritik an Ausbildung und Ausrüstung der Soldaten in Afghanistan geübt. Woran machen Sie die fest?

Robbe: Ich habe das nicht pauschal gesagt, sondern mache dies an Details fest. Ich habe die Soldaten, die jetzt in Kundus eingesetzt sind, vor ihrer Verlegung besucht. Mein Bild war, dass sie sich insgesamt gut vorbereitet fühlten. Aber trotzdem sind mir Defizite in der Ausstattung und der Ausbildung geschildert worden, die leider nicht neu sind.

Was meinen Sie konkret?

Robbe: Es fehlen Transportflugzeuge und Hubschrauber. Es kommt auch vor, dass Soldaten beispielsweise als Kraftfahrer in den Einsatz geschickt werden, obwohl sie für die schwer zu manövrierenden, gepanzerten Fahrzeuge mit einem Gewicht von mehr als zehn Tonnen nicht ausgebildet sind. Die Ausbildung erfolgt dann erst im Einsatz. Das ist absolut nicht zu akzeptieren.

Woran liegt das?

Robbe: Die Politik verlässt sich darauf, was die militärische Führung ihr rät. Die Vorlagen, die die Abgeordneten also zur Entscheidung bekommen, stammen aus der Feder von Uniformträgern. Ich habe den Eindruck, dass die Realitäten wie jetzt in Kundus zu wenig von der militärischen Führung wahrgenommen werden.

Sie erhalten ja jedes Jahr an die 6000 Eingaben von Soldaten. Wie hoch ist der Anteil der Beschwerden zu Auslandseinsätzen?

Robbe: Aus den Einsatzgebieten erreichen mich häufig Beschwerden. Zuletzt waren es etwa 600, bei denen es um Ausstattungs- oder Ausbildungsmängel geht. Oftmals werden meine Erkenntnisse durch die Eingaben zusätzlich bestätigt. Für mich ist aber ebenso entscheidend, was ich bei meinen unangemeldeten Truppenbesuchen aufnehme.

Würden Sie sagen, die Bundeswehr ist dem Gegner unterlegen?

Robbe: Das Problem ist: Die Taliban sind zunächst nicht von der Zivilbevölkerung zu unterscheiden. Sie werden plötzlich zu Kämpfern. Das macht die Sache so schwierig. Diese Stärke, diese perfide Strategie wird hemmungslos ausgenutzt. Und da sind unsere Soldaten im Nachteil.

Sie würden aber auch von Krieg sprechen?

Robbe: Selbstverständlich. Das habe ich vor zwei Jahren schon getan. Zu dieser Zeit wurde mir von damaligen Verantwortlichen vorgeworfen, ich würde meine Kompetenzen überschreiten. Dabei habe ich nur das beschrieben, was die Soldaten im Einsatz erleben und mir gegenüber auch immer äußern. Kaschieren und schönreden hilft nicht, das führt nur zur Verunsicherung.

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