AUFGESCHLAGEN - NEUE BÜCHER Trügerische Stille

Drei starke Frauen stehen im Zentrum des neuen Romans „Von Vögeln und Menschen“ der bekannten niederländischen Schriftstellerin Margriet de Moor (Jahrgang 1941). Drei vollkommen unterschiedliche Frauen – zwei von ihnen sind Mörderinnen, die dritte gesteht einen Mord, den sie in Wirklichkeit nicht begangen hat. Der Roman entpuppt sich als ein unglaublich spannend und raffiniert konstruierter Familienkrimi mit vielfältigem Wechsel der Erzählperspektive. Geradewegs getrieben wird de Moor von der Frage, warum jemand einen Menschen ermordet.

 Von Vögeln und Menschen Cover

Von Vögeln und Menschen Cover

Foto: TV/Verlag

Drei starke Frauen stehen im Zentrum des neuen Romans „Von Vögeln und Menschen“ der bekannten niederländischen Schriftstellerin Margriet de Moor (Jahrgang 1941). Drei vollkommen unterschiedliche Frauen – zwei von ihnen sind Mörderinnen, die dritte gesteht einen Mord, den sie in Wirklichkeit nicht begangen hat. Der Roman entpuppt sich als ein unglaublich spannend und raffiniert konstruierter Familienkrimi mit vielfältigem Wechsel der Erzählperspektive. Geradewegs getrieben wird de Moor von der Frage, warum jemand einen Menschen ermordet.Erstes Opfer ist der 90-jährige Mijnheer Bruno Mesdag. Er wird erschlagen in seinem Appartement aufgefunden. Der Verdacht fällt gleich auf Louise Bergman, die zweimal die Woche zum Putzen und Kochen zu dem Greis kommt und nach ihm sieht. Rund um die Uhr wird sie nach der Inhaftierung von zwei Kripo-Beamten verhört, bis sie schließlich den Mord gesteht, um ihre Ruhe zu haben. Eine lange Haftstrafe tritt Louise an, wird von ihrem Mann verlassen, weiß aber ihre Tochter Marie Lina bei Verwandten gut untergebracht. Die damals Neunjährige erlebte am Fenster mit, wie ihre Mutter von zu Hause von der Polizei abgeführt wurde – ein langjähriges Trauma mit schwerwiegenden Folgen (nicht nur) für das Kind nimmt seinen Lauf … Das ist der Hauptstrang des Romans, dessen Verlauf hier der Spannung halber nicht aufgedeckt werden soll. Zumindest sei angedeutet, dass dabei die dritte starke Frau des Romans – die Fußpflegerin Klazien Wroude – eine bedeutsame Rolle spielt. Die Leser werden zudem immer wieder mit geschickt eingebetteten Nebengeschichten konfrontiert. Greifen wir zum Beispiel Marie Linas Ehemann Rinus Caspers heraus: Er übt den seltenen Beruf des Vogelvertreibers auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol aus. Bussarde, Nilgänse, Möwen und auch Seeschwalben sind sein tägliches Geschäft. Rinus muss verhindern, dass diese von den riesigen Brachflächen neben den Start- und Landebahnen in die Triebwerke der Flugzeuge fliegen. Denn ansonsten wird die vermeintliche Idylle der Vögel zur todbringenden Gefahr für Mitglieder der Besatzungen und Passagiere. Doch der Vogelvertreiber kann zwar meist die Tiere vertreiben, nicht aber das schwere Trauma seiner Frau ... „Friedliche Stille, wenn auch trügerisch“, lautet nicht umsonst schon der dritte Satz des Romans.

Weitere Nebenstorys des Werks betreffen unter anderem die weiterhin zur Familie gehörige, aus der Karibik stammende bildhübsche Hortense, Ex-Frau und -Geliebte dreier Caspers-Söhne und Liebling des alten Vaters, der sie als „seine Tochter“ bezeichnet. Oder deren letzten Mann Willem, der in Südamerika als Aussteiger lebt, aber von der heimischen Familie sehnlichst zurückerwartet wird. Nicht zu vergessen die Nebengeschichte mit Mijnheer Mesdag, als der mit 87 Jahren einen jungen Farbigen vor dem Ertrinken rettet. Margriet de Moor bietet völlig neu arrangiert und raffiniert eingefädelt die uralte Geschichte von Liebe, Hass, Rache und auch Vergebung – also die großen Themen der Literatur. Mit ihrem aktuellen Roman ist der bedeutenden Autorin erneut ein bemerkenswertes Werk gelungen. Jörg Lehn

Margriet de Moor, Von Vögeln und Menschen. Roman. Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen, Carl Hanser Verlag, München 2018, 264 Seiten, 23 Euro.

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