Die Woche im Blick Die Zeit heilt nicht alle Wunden

Meinung · Sich von einem geliebten Menschen zu verabschieden, benötigt oft vor allem eines: Zeit. Und es gibt keine allgemeingültigen Tipps, keinen festen Fahrplan, um Trauer verarbeiten zu können. Die Zeit heilt eben nicht automatisch alle Wunden.

 Chefredakteur Thomas Roth

Chefredakteur Thomas Roth

Foto: TV/Schramm, Johannes

Die Angehörigen der Opfer vom 1. Dezember 2020 werden wohl oft erinnert. Sie verloren geliebte Menschen durch die Amokfahrt in Trier. Ein Ort, ein Blick, ein Spruch: Es kann vieles geben, was wieder Erinnerungen hochkommen lässt. Und es ist nachvollziehbar und verständlich, dass viele anders als früher durch die Fußgängerzone gehen. Wenn ein Lieferant schneller fährt, sind sie aufmerksamer. Oberbürgermeister Wolfram Leibe erzählte uns im Interview, dass er sich in solchen Situationen besonders ärgert.

Leibes Auftritte nach der Tat prägten das Bild von Trier. Der zuvor sehr sachlich wirkende Stadtchef zeigte Emotionen. Nicht bewusst oder geplant, sondern spontan. Er war ebenfalls geschockt. Vor allem aber war er mit den Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen – und trat deshalb nach vorne. Er war bei den Hilfskräften, die Schreckliches gesehen haben, und bei den Menschen,  die Sorgen hatten, wenn sie erst später erfuhren, ob geliebte Menschen sich retten konnten.

Trier und die gesamte Region reagierten bemerkenswert. Die Menschen trauerten und zeigten dies an vielen Stellen Sie standen einander bei. Sie zeigten, dass die schreckliche Tat eines Mannes nur eines stärkte: den Zusammenhalt untereinander. Ein Jahr später ist dies noch immer zu spüren. Frauen, Männer und Kinder stellten Kerzen auf. Sie hielten inne, als vier Minuten die Glocken läuteten. Als Erinnerung an die Minuten, die Trier veränderten und nicht zu vergessenden Schmerz auslösten. Die Tat gehört zur Geschichte der Stadt, sagte der Oberbürgermeister im Interview in dieser Woche. In diesem Sinne denken wir an alle, die unter dem Verbrechen und seinen Folgen leiden. Und wir wünschen Ihnen, dass sie für sich die Zeit finden, sich zu erinnern oder nach vorne zu schauen. Mit allem, was ihnen wichtig ist: Emotionen, Gesprächen oder Ruhe.

t.roth@volksfreund.de

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