Hochwasser Was Flutopfern jetzt seelisch hilft

Trier/Bitburg/Gerolstein · Der schlimmste Schlamm mag weg sein, doch Verluste und Ängste bleiben. Was Psychologen und Seelsorger Betroffenen jetzt raten.

 Der Einsatz im Katastrophengebiet ist eine körperlich und seelisch harte Arbeit. Wie geht man damit um? Wo finden Betroffenen Hilfen?

Der Einsatz im Katastrophengebiet ist eine körperlich und seelisch harte Arbeit. Wie geht man damit um? Wo finden Betroffenen Hilfen?

Foto: dpa/Thomas Frey

An Tag 1 ihres Hochwassereinsatzes als Notfallseelsorgerin begegnete Daniela Standard in der Trierer Mäusheckerhalle Menschen, die nicht vorbereitet waren. Menschen ohne Schuhe, Menschen, deren Kleidung voller Heizölwasser war, Menschen, die ihre Haustiere zurücklassen mussten, die weder Papiere noch Medikamente bei sich trugen. Menschen, die von einem Moment auf den nächsten kein Zuhause mehr hatten. „Manche waren einfach froh, dass sie rechtzeitig rausgekommen sind“, sagt Standard. Dass sie leben. Viele jedoch hätten die Tragweite dessen, was geschehen war, noch gar nicht begriffen.

Am 2. Tag begleiteten Notfallseelsorger Trierer zurück in ihre Häuser, um das Notwendigste zu holen oder nach Haustieren zu sehen. Anfangs seien die Betroffenen ungehalten gewesen, weil man sie nicht direkt in ihre Wohnungen ließ. „Als sie dann das Ausmaß sahen, wurden sie sehr still“, sagt Standard.

Am 3. Tag war sie in Ehrang unterwegs, um Menschen bei Bedarf zuzuhören. „Die waren am Schaffen, die hatten nicht den Nerv, zu reden“, sagt sie. Die Stimmung sei angesichts der vielen, vielen freiwilligen Helfer anfangs sogar recht gut gewesen. „Aber je länger der Tag wurde, desto entsetzter waren einige.“

Emotional, davon ist Standard überzeugt, kommt das Schlimmste erst noch. Das sei so ähnlich wie wenn jemand stirbt. Erst einmal müsse man funktionieren, wahnsinnig viel erledigen. Und dann, wenn es ruhiger wird, zieht es einem den Boden unter den Füßen weg.

Überall in den betroffenen Regionen des Landes sind daher Notfallseelsorger und Seelsorger unterwegs. Der Hilfsbedarf ist laut Bistums-Pressestelle groß. Eine „immens hohe Zahl an Menschen“ suche Kontakt, ein Gespräch, eine Begleitung. Um die vielen Betroffenen aufzufangen, bieten zahlreiche Einrichtungen Hilfe an (siehe Extra). Der Trierer Psychologie-Professor Wolfgang Lutz und Seelsorge-Experten des Bistums Trier erklären, was nun hilft.

Was machen Betroffene emotional durch?

Lutz berichtet von drei verschiedenen Typen Hilfssuchender: Menschen, die eine Vorbelastung haben, für die nun alles noch „oben drauf“ kommt. Menschen, die besonders schlimme Erlebnisse verarbeiten müssen. Und dann noch jene, denen erst nach einiger Zeit bewusst wird, was da mit ihnen geschehen ist.

Viele Leute befänden sich in einem Schockzustand. Hätten das Gefühl unter einer Glaskugel zu sein, sie sind niedergeschlagen, haben Angstzustände und werden von belastenden Gedanken und Bildern verfolgt.

„Das kann auch leicht getriggert werden. Es gab nun wieder stärkeren Regen. Das kann bei den Leuten all die Gedanken wieder auslösen“, sagt Lutz.

Wie erkennt man, ob man Hilfe braucht?

Den Seelsorgern des Bistums zufolge zeigen viele Menschen Schlafstörungen, tiefe Traurigkeit gekoppelt mit plötzlichem Weinen, zudem überhöhte Schreckhaftigkeit, Zittern, aber auch Wut und einige machen sich Selbstvorwürfe.  „Bei manchen lassen diese Symptome nach, wenn ihr Leben wieder in ruhigeren Bahnen verlaufen kann.“ Bei anderen bleiben die Symptome oder werden sogar stärker. All das sind laut Lutz natürliche Reaktionen auf den erlebten Verlust. Wenn die Symptome aber auch nach einigen Wochen noch vorhanden sind, dann ist es wichtig, Hilfe zu suchen.

Was hilft Menschen in dieser schwierigen Situation?

Psychologie-Professor Lutz spricht davon, die „natürlichen Ressourcen“ zu aktivieren. Man solle sich nicht auf das Chaos konzentrieren, sondern auf etwas, das gut tut: Sport treiben, Zeit mit Freunden und Familie verbringen, auch mal etwas unternehmen, das Spaß macht. Manchem kann es vielleicht sogar gelingen, etwas Positives zu sehen. Man hat die Katastrophe überlebt. Und vielleicht bietet sich die Chance, etwas Neues anzufangen, Dinge anders zu machen. „Natürlich muss man sich auch mit den Verlusten auseinandersetzen“, sagt Lutz. Da sei es oft hilfreich mit einer außen stehenden Person zu sprechen.

Was können Freunde und Familie tun?

Fast wortgleich antworten die Seelsorger und der Psychologe: „Da sein. Zuhören. Mittragen. Mit aushalten.“ Drängen hingegen soll man die Betroffenen nicht. Man muss ihnen Raum und Zeit lassen. Auch sollte man ihnen die Hilfe nicht einfach überstülpen, sondern fragen, was gewünscht und benötigt wird. Dem einen tut vielleicht ein Gespräch gut. Dem anderen, wenn der Keller endlich wieder sauber ist.

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