Innenminister im Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe: Roger Lewentz und die Suche nach dem Lagebild

Mainz · Roger Lewentz hat im Untersuchungsausschuss bestritten, schon früh von einem eingestürzten Haus gewusst zu haben. Am Freitagabend musste er zum zweiten Mal aussagen. Die Freien Wähler fordern indes den Rücktritt des Trierer ADD-Präsidenten Thomas Linnertz.

RLP-Flutkatastrophe: Innenminister Lewentz und die Suche nach dem Lagebild​
Foto: dpa/Sascha Ditscher

Innenminister Roger Lewentz hat am Freitagabend zum zweiten Mal im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe ausgesagt. In einer gut dreiviertelstündigen, vorbereiteten Rede, die für Zeugen eigentlich unüblich ist, wiederholte er seine Wahrnehmung der Flutkatastrophe. Ihm habe kein vollständiges Lagebild vorgelegen, sondern nur „bedrückende Einzelereignisse“. Und er habe nie den Eindruck gehabt, dass der örtliche Katastrophenschutz oder der Landrat in Ahrweiler überfordert gewesen seien, sagte Lewentz.

Der Innenminister bestritt die Behauptung, er habe in einem Telefonat mit dem Lokalreporter Willi Willig bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt von einem eingestürzten Haus in der Ortsgemeinde Schuld im Kreis Ahrweiler gesprochen. Es könne aber sein, dass er gegenüber Willig von einer Katastrophe gesprochen habe. Nach eigenen Angaben hat Lewentz zum ersten Mal um 23.04 Uhr von sechs eingestürzten Häusern in Schuld erfahren. Das sei punktuell in einer Gemeinde gewesen, sagte Lewentz zur Verteidigung. Mit eingestürzten Häusern in einer Gemeinde sei noch kein Lagebild für die gesamte Ahr zu entwickeln. „Ich rede dieses Ereignis mit sechs eingestürzten Häusern in Schuld überhaupt nicht klein“, so Lewentz. Diese Nacht habe viele Ereignisse mit sich gebracht. Häuser waren allerdings nur an der Ahr eingestürzt.

Im Lagezentrum seines Innenministeriums war die Information über eingestürzte Häuser zudem schon anderthalb Stunden früher bekannt. Dabei hatte Lewentz sein Ministerium darum gebeten, „niedrigschwellig“ informiert zu werden. Die Landesspitze - Ministerpräsidentin Malu Dreyer - wird erst um kurz vor 1 Uhr nachts von Lewentz über die dramatischen Zustände in Kenntnis gesetzt.

Offenbar hat sein Ministerium auch weitere Informationen nicht an ihn weitergetragen. Etwa einen Anruf des Umweltstaatssekretärs Erwin Manz. Manz steht ebenfalls wie die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion und das Innenministerium selbst in der Kritik, die Zustände an der Ahr nicht rechtzeitig erkannt zu haben. Der Umweltstaatssekretär hatte aber um 22.24 Uhr im Lagezentrum des Innenministeriums gewarnt. Sein Appell, schnellstmöglich alle Einsatzkräfte zur Menschen an die Ahr zu schicken, verhallte aber offenbar im Lagezentrum.

Rückblick: Lewentz wollte am Abend der Flutkatastrophe zunächst nach Dorsel fahren, wo ein Campingplatz überflutet wurde und Menschen von Dächern gerettet werden mussten. Die Route wurde aber aufgrund gesperrter Straßen geändert. Er besuchte die Technische Einsatzleitung in Ahrweiler. Nach kurzem Austausch mit dem ehemaligen Landrat Jürgen Pföhler und dem ehrenamtlichen Brand- und Katastrophenschutzinspekteur war er nach Hause an den Rhein gefahren. Er sei dort ständig erreichbar gewesen, betonte er am Freitagabend erneut.

Im Untersuchungsausschuss hatten am Freitag Videoaufnahmen für Aufsehen gesorgt. Sie sollen sehr eindrücklich zeigen, wie dramatisch die Situation im Ahrtal um halb elf gewesen sein muss. Aufgenommen wurden sie aus einem Hubschrauber der Hubschrauberstaffel Rheinland-Pfalz, die zur Erkundung der Lage rausgeschickt wurde. Die Videos will aber niemand aus dem Lagezentrum des Innenministeriums gesehen haben. Auch Lewentz will die Videos der Lage nicht gesehen haben. „An ein Hubschraubervideo kann ich mich überhaupt nicht erinnern.“ Er habe aber gewusst, dass Hubschrauber unterwegs gewesen seien. Ihm seien um 23.46 Uhr lediglich Fotos aus dem Polizeihubschrauber durch seine Büroleiterin geschickt worden. Die Landesregierung hält das brisante Video unter Verschluss mit der Begründung, es könnten Persönlichkeitsrechte verletzt werden.

Die Freien Wähler haben am Freitag indes den Rücktritt des Trierer ADD-Präsidenten Thomas Linnertz gefordert. Nach seiner Vernehmung sagte der Obmann Stephan Wefelscheid, Linnertz sei seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, vorliegenden Informationen zu sichten und zu bewerten. Das verlange er jedoch von einem Präsidenten.

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