"Briefkastenfirmen" verzerren das Gesamtbild

Die Region Trier profitiert von der wirtschaftlichen Kraft Luxemburgs: 26 000 Pendler, die vielen Käufer aus dem Nachbarland und die Aufträge für Handwerker sind dafür ein deutliches Indiz. Herbert Eberhard, der in Luxemburg und Trier das Wirtschaftsauskunftei - und Inkassounternehmen Creditreform betreibt, bewertet im Gespräch mit TV-Redakteur Heribert Waschbüsch die Lage beim Nachbarn.

Luxemburg/Trier. (hw) Die Wirtschafts-Lokomotive Luxemburg hat mit der Krise mehr zu kämpfen als beispielsweise die Region Trier. Doch Experte Herbert Eberhard sieht die Wirtschaft dort auf einem guten Weg.

Wie hat Luxemburg bisher die Krise gemeistert?

Herbert Eberhard: Die Konkurszahlen lassen eine leichte Trendwende erkennen, auch wenn die Krise noch nicht vorbei ist. Natürlich ist der Finanzsektor in Luxemburg besonders betroffen. Luxemburg als einer der wichtigsten Finanzplätze hat hier hart zu kämpfen, denn im letzten Jahr wurde erstmals mehr Geld abgezogen als angelegt. Nicht nur Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker machte bereits deutlich, dass der Finanzplatz für Luxemburg nie wieder die Bedeutung erreichen wird wie in der Vergangenheit. Dennoch liegt die Tendenz eher Richtung Grün als im Gelben Bereich, was beispielsweise ein Blick auf die Automobilzuliefererbranche zeigt.

Wie sehen Sie die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Monaten?

Eberhard: Die Lage ist gar nicht schlecht. Auch wenn einige Tendenzen unserer vor Kurzem durchgeführten Konjunktur-Umfrage in Luxemburg recht kritisch gesehen werden, so ist doch erfreulich, dass die Mehrheit sowohl die Entwicklung seit 2008 als auch die künftige gleich bleibend oder gar positiv sieht.

Wie sehen Sie die Insolvenzentwicklung mit Blick auf den Arbeitsmarkt?

Eberhard: Die Konkurse größerer Unternehmen mit entsprechend hoher Mitarbeiteranzahl dürften abnehmen und damit weniger den Arbeitsmarkt belasten. Generell ist die hohe Insolvenzhäufigkeit im europäischen Vergleich zu relativieren, da die Anzahl sogenannter Briefkastenfirmen am Konkursgeschehen das Bild etwas verzerrt. Diese Konkurse haben auch wenig oder gar keinen Einfluss auf den Arbeitsmarkt. Trotzdem ist der Arbeitsmarkt kritisch zu betrachten. Grundsätzlich hat sich die Anzahl der Banken reduziert und insbesondere der Bereich Privatbanking wird nicht zuletzt als Ergebnis der Krise schrumpfen und damit weiter Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben, auch wenn dies meist wohl deutsche Grenzgänger betrifft. Auch die Tendenz zum Abbau geringer qualifizierter Arbeitsplätze hält an.

Kann man die Insolvenzentwicklung in Luxemburg und in der Region Trier vergleichen?

Eberhard: Allenfalls bedingt. Der Bezirk des Konkursgerichts Diekirch ist mit seiner mittelständischen Struktur noch annähernd mit der Eifel-Region vergleichbar. Der des Bezirksgerichts Luxemburg allerdings überhaupt nicht. Die Firmendichte und vor allem auch die Größe der Unternehmen, mit vielen Industriebetrieben und Banken und großen Dienstleistern mit vielen Mitarbeitern, lässt sich nicht mit der Region Trier vergleichen, wo es sehr viele kleine und mittlere Unternehmen gibt und gerade einmal rund zehn Firmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. So spielt natürlich der Banken und Dienstleistungssektor im Großherzogtum eine ganz andere Rolle. Damit lässt sich auch erklären, dass im ersten Halbjahr der Dienstleistungssektor mit 157 die höchste Zahl an den Konkursen beigesteuert hat. Erst auf dem zweiten Platz folgt der Handel mit 143 Konkursen. Der Bausektor (41 Konkurse) hat sich erholt und kann ohnehin seit vielen Jahren die niedrigste Insolvenzrate in ganz Europa vorweisen.

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