Mehr Rechte für Fluggäste

Brüssel · Flugpassagiere sollen mehr Rechte erhalten und diese auch leichter durchsetzen können. Entsprechende Pläne hat das Europaparlament gestern in erster Lesung verabschiedet.

Brüssel. Nach EU-Umfragen werden derzeit nur zwei Prozent der Betroffenen bei Verspätungen oder Flugausfällen tatsächlich entschädigt. Das soll sich nun ändern. Die Pläne des Parlaments gehen über die eher industriefreundlichen Vorschläge der Brüsseler Kommission hinaus. Zwischen beiden muss nun eine Einigung gefunden werden. Die Branche droht bereits mit Preiserhöhungen und längeren Wartezeiten.

Flugtickets: Bereits bezahlte Flugtickets verfallen nicht mehr automatisch, nur weil der Hinflug nicht genutzt werden konnte. Künftig sind auch Nur-Rückflüge möglich.

Verspätungen: Für Flüge bis zu 3500 Kilometer soll ab einer Verspätung von drei Stunden eine Pauschale von 300 Euro pro Flugstrecke erstattet werden, für längere Flüge soll es ab fünf Stunden Verspätung 400 Euro pro Strecke geben. Für Langstreckenflüge über 6.000 Kilometer sollen ab einer Verspätung von sieben Stunden 600 Euro fällig werden. Ferner fordert das Parlament, dass Airlines haften müssen, wenn ein Passagier aufgrund einer Verspätung seinen Anschlussflug verpasst. Die EU-Kommission will Entschädigungen erst ab fünf Stunden Verspätung, bei Mittel- und Langstreckenflügen sogar erst nach neun beziehungsweise zwölf Stunden vorschreiben. Das Argument dabei: Man müsse den Airlines genügend Zeit lassen, um Pannen zu beheben. Nach den Vorschlägen der Kommission würden laut Verbraucherschutzorganisationen etwa 70 Prozent der Passagiere von Kurzstreckenflügen bei Verspätungen leer ausgehen.

Hotels: Für Hotelübernachtungen bei unverschuldeten Verspätungen oder Annullierungen fordern die Abgeordneten maximal 125 Euro pro Nacht begrenzt auf fünf Nächte. Die EU-Kommission hatte maximal 100 Euro für höchstens drei Nächte vorgeschlagen.

Handgepäck: Im Flugpreis muss künftig mindestens eine Tasche und ein Duty-Free-Einkauf inbegriffen sein. Gerade Billigflieger machen teilweise mit Zusatzgebühren für Handgepäck Reibach.

Insolvenz: Reisende sollen nicht mehr an ihren Urlaubsorten festsitzen, wenn die Airline pleite geht: Fluggesellschaften müssen nachweisen, dass sie Passagiere auch im Falle einer Zahlungsunfähigkeit entschädigen können - etwa über Garantiefonds oder den Abschluss einer Versicherung.

Beschwerden: Fluggesellschaften müssen innerhalb von zwei Monaten auf eine Beschwerde reagieren. Sonst gilt automatisch der Schadensersatzanspruch des Fluggasts.
Zudem muss in jedem EU-Staat eine Anlaufstelle für Beschwerden geschaffen werden. Die kümmert sich um abgesagte Flüge, beschädigtes Gepäck oder zu lange Wartezeiten, wenn der Passagier sich bei der Fluggesellschaft erfolglos beschwert hat.
In Deutschland gibt es bereits die "Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr" (SöP), die seit einigen Monaten auch für Fluggäste Probleme regelt. Die nationalen Behörden sollen ausreichende Befugnisse haben, um Luftfahrtunternehmen, die Fahrgastrechte verletzen, bestrafen zu können.

Haftung bei außergewöhnlichen Umständen: Bei Berufung auf höhere Gewalt sind die Luftfahrtgesellschaften nicht zur Entschädigungszahlung verpflichtet. Die Abgeordneten wollen diese "außergewöhnlichen Umstände" enger definieren als die Kommission - und den Airlines weniger Schlupflöcher lassen.
Laut Parlament sollen zu den Ausnahmen etwa extreme Wetterbedingungen, Terroranschläge, medizinische Notfälle, politische Unruhen, Krieg oder eine unvorhergesehene Schließungd des Luftraums gehören - nicht aber technische Defekte.
"Die Airlines beriefen sich in der Vergangenheit zu oft auf höhere Gewalt, um keine Entschädigungen zahlen zu müssen", sagt der SPD-Verkehrsexperte im Europaparlament, Ismail Ertug.

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