Zwanzigers ungewisse Zukunft

DFB-Präsident Theo Zwanziger wirkt etwas amtsmüde. In einem Interview äußerte sich Zwanziger über seine Zukunft und ließ dabei erkennen, dass es für ihn ein Leben nach dem Fußball gibt.

Altenkirchen. Theo Zwanziger hat's nicht leicht in diesen Tagen. Zum einen sieht sich der DFB-Präsident massiver öffentlicher Kritik ausgesetzt, die bisweilen sogar ins Persönliche geht, zum anderen plagt ihn seit der Rückkehr von der WM in Südafrika eine fiebrige Viruserkrankung.

Die körperlichen Beschwerden bekämpft der 63-Jährige aus Altendiez mit Antibiotika, gegen die seelischen Schmerzen ist ein Heilmittel schwerer aufzutreiben. Das Zusammensein mit alten Freunden verschafft ihm Linderung; so sitzt der oberste Fußballfunktionär des Landes trotz seiner angegriffenen Gesundheit vier Stunden mitten unter den Delegierten des Fußballverbands Rheinland (FVR), übernimmt beim Verbandstag in Altenkirchen sogar die Versammlungsleitung, als sein Nachfolger Walter Desch im Amt des FVR-Präsidenten bestätigt wird, und wird mit minutenlangem Beifall gefeiert, als ihn die Versammlung zum Ehrenpräsidenten seines Heimatverbands ernennt.

Dann ergreift Theo Zwanziger das Wort; hier ist er unter Freunden, hier spricht er Klartext. Vor allem ein Satz, mit dem er seine kurze, aber prägnante Ansprache beschließt, lässt aufhorchen: "Ich verspüre eine tiefe Sehnsucht nach dem Privaten." Ist Theo Zwanziger etwa amtsmüde? "Ja, das kann man so sagen", bestätigt der Präsident später. "Die Amtsmüdigkeit, die gibt es." Fast scheint es, als möchte Theo Zwanziger verzweifeln an so manchen Erscheinungen dieser Zeit: "Unsere Aufgabe ist es, die Balance zu halten", hat er in seiner Rede gesagt. "Aber unsere Öffentlichkeit kennt keine Balance mehr; es geht nur noch um Sieg oder Niederlage, Macht oder Ohnmacht, Genie oder Wahnsinn." Theo Zwanziger bemüht sich, die Balance zu halten: "Lasst uns unseren Job machen", ruft er den Delegierten zu, "unsere Wirklichkeit liegt an der Basis."

Aus seiner Sicht kann er auf eine stolze Bilanz verweisen: "Unsere Nationalmannschaften gewinnen Titel ohne Ende, unsere Nachwuchskonzepte greifen, aber das ist alles nichts wert, wenn wir nicht soziales und gesellschaftliches Engagement damit verbinden."

Und doch steht der DFB-Präsident seit einigen Monaten bei zahlreichen Medien in der Kritik. "Der eine oder andere Artikel, der verfasst wird, ohne die Fakten zu kennen, schmerzt schon. Auch Theo Zwanziger ist nur ein Mensch", betont er.

Später konkretisiert er seine Verteidigung: Den Vorwurf, die Boulevardpresse mit internen Informationen versorgt zu haben, um die Position des Verbands in den Verhandlungen mit Bundestrainer Joachim Löw und dessen Mitstreitern zu verbessern, weist er empört zurück: "Das kommt nicht von uns, das ist alles erstunken und erlogen." Im Umfeld von Trainer und Manager, so Zwanziger, "da tummeln sich drei oder vier Berater, die die Medien steuern mit irgendwelchem dummen Zeug". Er selbst, so Zwanziger, habe zu "keinen dieser Medien ein derart enges Verhältnis, dass ich denen was stecke". Auch nicht den Handschlag-Vertrag mit Joachim Löw vom vergangenen Winter, der so viele Schlagzeilen machte, weil der Bundestrainer angesichts der neuen Forderungen auf beiden Seiten nichts mehr davon wissen wollte: "Den Handschlag hat's gegeben", versichert der Präsident.

Nun bleiben nur zwei Wochen, um die Vertragsverhandlungen mit Joachim Löw und seinem Stab zum Ende zu bringen. "Ich bin zuversichtlich, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen", sagt Zwanziger, räumt aber ein: "Ich kann nicht erschließen, wie sich Joachim Löw fühlt; insgesamt sieben Wochen WM schlauchen schon, und ich halte es für möglich, dass er sich eine Auszeit nehmen will." Was Zwanziger ausschließt, sind "unzumutbare Forderungen" von der anderen Seite. Das Problemfeld liegt seiner Meinung nach anderswo: "Es ist ja bekannt, dass das Verhältnis von Löw und Bierhoff auf der einen und Sportdirektor Matthias Sammer auf der anderen Seite nicht eben harmonisch ist", sagt er.

Und die eigene Zukunft? Die hängt entscheidend vom Verlauf der anstehenden Vertragsgespräche ab. Am 30. Juli tagt das DFB-Präsidium. "Dann müssen sich alle erklären - auch ich." Klar ist für ihn: "Wenn ich gewählt werden will, werde ich auch gewählt." Und wenn er nicht mehr antritt? "Dann entsteht für den DFB eine ganz schwierige Situation: Wer soll es dann machen?"

Theo Zwanzigers Verantwortungsgefühl und die Freude am Amt sprechen dafür, dass er ein weiteres Mal fürs Präsidentenamt kandidiert. "Ich muss mich wohl mit bestimmten Dingen abfinden", sagt er. Aber auch: "Momentan ist es völlig offen, wie ich mich entscheide."

Und im Zuhörer klingt dieser Satz nach, mit dem er vor den FVR-Delegierten seine Gefühlswelt offenbart hat: "Ich verspüre eine tiefe Sehnsucht nach dem Privaten."

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