Kommentar Zum Disziplinarverfahren gegen Begoña Hermann Das Versagen nach der Flut an der Ahr: Der Fall der ADD-Vizepräsidentin ist nur ein Beispiel dafür

Meinung · Die ehemalige ADD-Vizepräsidentin soll nach der Flut gelogen haben, um in die USA reisen zu können. Ihr Fall ist einzigartig und dennoch gibt es mehr Beispiele für politisches Versagen und fehlende Empathie nach der Katastrophe in Rheinland-Pfalz.

 Die ehemalige ADD-Vizepräsidentin Begoña Hermann soll für eine Dienstreise kurz nach der Flut geschwindelt haben.

Die ehemalige ADD-Vizepräsidentin Begoña Hermann soll für eine Dienstreise kurz nach der Flut geschwindelt haben.

Foto: Thomas Frey/dpa/Thomas Frey

Orte stehen unter Wasser, Häuser und Brücken stürzen ein, mehr als hundert Menschen sterben. Das war die Situation nach der Flutkatastrophe im Sommer 2021.

Der Blick zurück zeigt: Es gab an entscheidenden Stellen zwischen Zuständigen im Land und vor Ort an der Ahr riesige Informationslücken. Kurz gesagt: Die rechte Hand wusste nicht, was die linke tat. Auf Landesebene wurde deutlich: Der damalige Innenminister Roger Lewentz (SPD) und die damalige Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) waren – zurückhaltend ausgedrückt – nicht freundschaftlich verbunden, deutlicher: Sie sprachen wohl nicht mehr als notwendig miteinander und es ging ihnen zunächst auch darum, wer jeweils Schuld hatte. Mittlerweile sind beide nicht mehr im Amt – Spiegel stolperte über einen Urlaub kurz nach der Flut, Lewentz über die nur nach und nach ans Licht kommenden Details, wann was bekannt wurde.

Doch weiter zum Ist: Immer noch gibt es Klagen darüber, dass die Aufbauarbeiten an der Ahr zu langsam vorangehen. Nun sollte der neue Verein Zukunftsregion Ahr für Aufbruchstimmung sorgen. Doch noch bevor er starten kann, sorgt die nächste Personalie für Aufregung. Begoña Hermann, zur Flutzeit Vizepräsidentin der ADD und für Katastrophenschutz zuständig, hatte sich für die Geschäftsführung selbst ins Gespräch gebracht – und schon damit für Kritik gesorgt. Wenig später kam heraus: Hermann, die durchaus einen Ruf als engagierte Chefin in der Verwaltung hatte, ging kurz nach der Flut in einen längeren Urlaub. In dieser Woche wurde aus dem ohnehin schon zweifelhaften Urlaub kurz nach der Flut ein großes Problem für Hermann – und aus der Kontroverse ein möglicher Skandal.

Denn der neue Innenminister Michael Ebling (SPD) gab bekannt, dass ein Disziplinarverfahren läuft. Hermann soll für die Reise in die USA dienstliche Gründe im Zusammenhang mit der Flut konstruiert haben. Indizien, dass die Reise privat war, gibt es durchaus: So war der Urlaub schon im Frühjahr und damit vor der Flut genehmigt worden. Hat Hermann gelogen und so in Corona-Zeiten eine private Reise in die USA machen können, die anderen aufgrund der Einreisebedingungen verwehrt blieb? Das muss nun detailliert aufgeklärt werden – und selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung. Was aber schon jetzt feststeht: Hermann ist wie manch anderen entscheidenden Politikerinnen und Politikern (und natürlich ist der ADD-Posten auch ein politischer) jegliches Gespür verloren gegangen, was die Flutkatastrophe für eine Dimension hatte und was für Chefinnen und Chefs gefragt waren. Menschen, die ihre Verantwortung wahrnehmen, zu Fehlern stehen und die dann vor Ort sind, um den Menschen zu helfen, die ihr Lebenswerk und teils Ihre Verwandten und Freunde verloren hatten. In diesem Sinne ist Hermann nur ein weiterer Beweis für die Abgehobenheit mancher Entscheider. Dazu passt es übrigens auch, dass etwa Roger Lewentz immer noch Vorsitzender der größten Regierungspartei ist. Und dass die Ministerpräsidentin immer noch kein einziges Mal wirklich um Entschuldigung für das Versagen in Teilen der Regierung und der Verwaltung gebeten hat.

t.roth@volksfreund.de

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