Nur ein Hoffnungsschimmer

Das Durchatmen in der Ukraine könnte nur von kurzer Dauer sein. Zu viel Blut ist geflossen.

Zu sehr fühlen sich große Teile der Bevölkerung gedemütigt. Für sie ist klar, dass es mit Viktor Janukowitsch keine Zukunft für ihr Land geben wird. Auch eine Übergangszeit von mehreren Monaten können sie sich nicht vorstellen.
Der Westen Europas muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass es in dem blutigen Konflikt vorrangig darum geht, die Nähe zu Europa zu suchen. Die meisten Menschen, die da auf dem zentralen Platz der Hauptstadt Barrikaden bauen, sind nicht parteipolitisch motiviert. Es sind Bürger der Stadt, des Landes, das sie davor bewahren wollen, zu einer Diktatur zu werden, deren Schlüsselfigur den Namen Janukowitsch trägt.
Diese Bürger kämpfen nicht in vorderster Front. Sie unterstützen inzwischen allerdings bedingungslos jene, die dort ihr Leben riskieren. Viele von denen sind Veteranen des Afghanistankriegs. Auch das ist ein Grund, warum die Polizei und Spezialeinheiten trotz aller Härte nicht die Oberhand gewinnen können.
Die Außenminister der Europäischen Union haben mit ihrem bestimmten Auftreten in Kiew die weitere Eskalation der Gewalt zunächst gestoppt. Dafür gebührt ihnen Anerkennung. Aber warum mussten erst Hunderte Menschen sterben oder schwer verletzt werden, bevor die Spitzendiplomaten so aktiv geworden sind?
Inzwischen haben die Oppositionsführer, unter anderem Vitali Klitschko, viel von ihrem Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Wie sehr sie noch beeinflussen können, was die Oppositionellen "Revolution" nennen, wird sich erweisen müssen.
Noch wichtiger ist die Rolle des Militärs, das offiziell nur eingreifen darf, wenn der nationale Notstand ausgerufen worden ist. Viktor Janukowitsch könnte das tun. Er hat noch immer mehr Macht als das ukrainische Rumpfparlament, das inzwischen mehrheitlich die Rückkehr zu einer Verfassung wünscht, die dem Präsidenten eine Allmacht wie in diesen Tagen verwehrt.
Am Freitag haben die Menschen in den Straßen Kiews die Luft angehalten. Die Feuer auf dem Maidan sind aber noch lange nicht gelöscht. Die Ukraine hat nur eine Zukunft ohne Janukowitsch. Darauf müssen die Länder Europas bestehen.
r.neubert@volksfreund.de

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