Leserbrief Zu sehr den Friedenstraum geträumt

Bundeswehr

Zu „Scholz kündigt 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr an“, (TV vom 28. Februar) und anderen Artikeln:

„Wir erleben eine Zeitenwende“ (Olaf Scholz) und „Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht“ (Annalena Baerbock): Das sind beschönigende Worte dafür, dass man nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion den Friedenstraum nicht nur geträumt, sondern ihm auch realpolitisch zu reichlich Raum gegeben hat (Stichworte Friedensdividende, Frieden schaffen ohne Waffen, Wandel durch Handel etc.).

Die Bundeswehr wurde von fast 495 000 Mann unter Waffen auf 184 000 Mann heruntergeschrumpft, der Anteil des Verteidigungsetats am Gesamthaushalt stark gekürzt, das Wehrmaterial bis zur Lächerlichkeit abgewrackt – zum Beispiel auf Flugzeuge, die nicht fliegen können, Panzer, die nicht fahren können, Gewehre, die nicht richtig schießen können oder Drohnen, die nicht bewaffnet werden. Der Friedenstraum ist nun ausgeträumt, wir sind mehr oder weniger zurück im Kalten Krieg. Von 1970 bis 1992 gaben wir durchschnittlich 3,1 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigung aus, vorher im Aufbau der Bundeswehr noch mehr. Danach allerdings ging es unter die im Jahr 2002 in der Nato gemeinsam festgelegte Zielgröße von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In der heutigen Situation fehlen nach meinen Berechnungen die in den letzten  20 Jahren unterhalb des Nato-Ziels „eingesparten“ Verteidigungsausgaben, insgesamt etwa 350 Milliarden Euro.

In diesem Licht nimmt sich die „Soforthilfe“ von 100 Milliarden Euro für die Verteidigung doch recht knapp aus. Ungeachtet dessen gibt es offenbar schon wieder Vorbehalte gegen die rein militärische Verwendung dieser Hilfe, zum Beispiel in der Regierungspartei „Die Grünen“  (FAZ Frühdenker, 17. März). Frau Baerbock plant derweil die Erarbeitung und Vorlage einer „umfassenden nationalen Sicherheitsstrategie“ (ntv vom 18. März). Wir dürfen gespannt sein, was die Politik aus den jüngsten Ereignissen glaubt gelernt zu haben.

Die Bundeswehr stellte im Kalten Krieg nach den US-Streitkräften in Europa bereits seit den 1970er-Jahren den größten Anteil westeuropäischer Streitkräfte (bundeswehr.de).  Ob wir da wieder hinkommen?  Etwas Skepsis ist wohl angebracht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort