CDU- Arbeitsministerin pocht auf Lohnzuwächse

Berlin · 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt fordern die Metaller in der kommenden Tarifrunde. Nach der Zurückhaltung der letzten Jahre muss es deutliche Lohnerhöhungen geben, meint auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) - und erntet damit Kritik aus den Reihen der Koalition.

Berlin. So klar und deutlich hat sich selten ein Regierungsmitglied den Standpunkt der Gewerkschaften zu eigen gemacht: "Die deutsche Wirtschaft fährt ordentliche Gewinne ein. Jetzt müssen die Arbeitnehmer daran beteiligt werden, und sie müssen das Plus auch spüren", sagte Urusla von der Leyen am Wochenende in einem Interview. Dabei konkretisierte sie auch, was unter "spürbar" zu verstehen sei: Der Zuwachs dürfe "nicht gleich von den Preissteigerungen aufgefressen" werden. Damit liegt von der Leyen exakt auf der Linie der Arbeitnehmervertreter. Im Vorjahr hatten sie durchschnittlich 3,2 Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten erstritten. Abzüglich der Inflationsrate (2,2 Prozent) blieb davon aber nur ein mageres Prozent plus übrig. 2012 soll es deshalb einen kräftigen Nachschlag geben. Für ihre anstehenden Tarifrunden fordern IG Metall und Verdi jeweils 6,5 Prozent mehr im Portmonaie, was die Arbeitgeberseite als maßlos überzogen kritisiert. Wohl auch deshalb geht von der Leyens Vorstoß manchem in der Koalition zu weit. "Die Politik sollte sich grundsätzlich aus der Lohnfindung heraushalten", zürnte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU), der zum Wirtschaftsflügel seiner Partei zählt. Der FDP-Sozialpolitiker Heinrich Kolb ärgerte sich ebenfalls über die "externen Regelanweisungen" aus dem Munde der Ministerin. Die Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg sei schon dadurch gewährleistet, dass deutlich mehr Menschen als früher einen Arbeitsplatz besäßen, meinte Kolb. Aus der Opposition bekam von der Leyen dagegen lobende Worte zu hören: "Ich halte ihren Standpunkt für sehr richtig", sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, unserer Zeitung. Allerdings müsse die Ministerin dafür mehr tun, als Appelle an die Wirtschaft zu richten. Denn die Schere zwischen unteren und oberen Einkommen gehe immer weiter auseinander, klagte Pothmer.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte diese Einschätzung schon vor ein paar Monaten mit Zahlen untermauert. Demnach sind die realen Netto-Löhne für Geringverdiener mit Vollzeit-Job seit 2001 um 130 Euro auf 705 Euro gesunken. In der höchsten untersuchten Einkommensgruppe gab es im gleichen Zeitraum dagegen einen leichten Zuwachs um 27 auf 3446 Euro. "Damit auch Niedrigverdiener vom Aufschwung profitieren, muss von der Leyen endlich den Mindestlohn durchsetzen", meinte Pothmer. Hier zählten nicht nur Worte, sondern Taten.
In dem besagten Interview hatte die Ministerin versprochen, sich mit aller Kraft dafür einzusetzen, "dass es noch in dieser Legislaturperiode eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze gibt". Tatsächlich wird daran zumindest in der Union mit Hochdruck gearbeitet. Seit Wochen brütet eine Arbeitsgruppe aus jeweils vier Vertretern des Sozial- und Wirtschaftsflügels über Details. Im Grundsatz herrscht bereits Einigkeit: Eine Kommission von Arbeitgebern und Gewerkschaftern soll den Mindestlohn regelmäßig neu aushandeln, was auch Ausnahmen für bestimmte Altersgruppen und Regionen einschließen kann. Unklar ist, ob die FDP mitmacht. Vorsitzender der Unionsarbeitgruppe ist übrigens Fraktionsvize Michael Fuchs.Extra

Die Gewerkschaften hatten in der vergangenen Woche 6,5 Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie gefordert. Auf 6,5 Prozent beläuft sich auch die Lohnforderung im öffentlichen Dienst. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, verteidigte die Forderungen. Die Zahl 6,5 sei rational und wohlbegründet, sagte er. "Die Leute haben die Nase voll davon, dass gute Arbeit nicht überall anständig bezahlt wird." Sommer kündigte harte Verhandlungen und notfalls auch Streiks an: "Tarifstreit ist nichts für den Knabenchor, Kampf ist normal. Und selbst wenn gestreikt wird, scheint weiter die Sonne, der Weltuntergang findet nicht statt." Laut einer Umfrage hält eine Mehrheit von 59 Prozent der Deutschen die Forderung der Metaller nach 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt für gerechtfertigt. Für den öffentlichen Dienst waren bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid allerdings 51 Prozent der Befragten dagegen. dpaExtra

Hartz-IV-Empfänger haben wegen der guten Wirtschaftslage Arbeitslose nach Ansicht des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit (BA), Heinrich Alt, zurzeit so gute Chancen wie noch nie auf einen Job. "Wir haben derzeit deutschlandweit gut eine halbe Million Menschen, von denen wir sagen, dass sie mittelfristig eine gute bis sehr gute Chance am Arbeitsmarkt haben", sagte er in einem Zeitungsinterview. Derzeit beziehen rund zwei Millionen der insgesamt drei Millionen Arbeitslosen in Deutschland Hartz IV. Künftig solle es noch stärker darum gehen, Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, sagte Alt. "Die Wirtschaft sucht händeringend nach Fachkräften. So lange es diese Nachfrage gibt, werden wir unsere ganze Energie auf die Vermittlung in Arbeit und nicht auf einen Ersatzarbeitsmarkt ausrichten. Öffentlich geförderte Beschäftigung ist nur ein vorübergehendes Placebo." dpa

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