Nach Taliban-Eroberung von Kabul Die Tragödie von Afghanistan und die Folgen für die Region

Trier/Kabul/Gerolstein · Nach der Machtübernahme der Taliban will Rheinland-Pfalz mehr Flüchtlinge aufnehmen und fordert Abschiebestopp. Afghanen, die im Raum Trier leben, sorgen sich um Angehörige.

 Taliban-Kämpfer stehen vor dem Flughafen in der afghanischen Hauptstadt Kabul Wache. Viele Menschen hatten das Rollfeld gestürmt im verzweifelten Versuch, per Flugzeug aus dem Land zu fliehen.

Taliban-Kämpfer stehen vor dem Flughafen in der afghanischen Hauptstadt Kabul Wache. Viele Menschen hatten das Rollfeld gestürmt im verzweifelten Versuch, per Flugzeug aus dem Land zu fliehen.

Foto: dpa/-

Tausende Afghanen stürmten am Montag verzweifelt in Richtung des Flugfeldes in Kabul, um das Land zu verlassen. Die Furcht, nach der Machtübernahme der Taliban verfolgt und getötet zu werden, war groß. Der dramatische Fall von Afghanistan hat Folgen für die geballte Weltpolitik – und die Region Trier.

Warum ist die Lage in Afghanistan so bedrohlich?

Die radikal-islamistische Taliban hat in den vergangenen Monaten viele Gebiete von Afghanistan erobert – und nun die Hauptstadt Kabul. Politische Beobachter gehen fest davon aus, dass damit Leben von Ortskräften in Gefahr sind, die unter anderem für die Bundeswehr im Afghanistan-Einsatz als Übersetzer oder Köche gearbeitet haben. Auch Rechte, die sich Frauen dort in den vergangenen Jahren erkämpft haben, dürften wegfallen. Experten sprechen davon, dass Frauenrechtlerinnen auf Todeslisten auftauchen und unter Taliban-Herrschaft in Afghanistan weder Unis noch Schulen besuchen dürften.

Warum kam es zum Einsatz, warum brach der Westen diesen ab?

Hintergrund für den Westen, in Afghanistan einzumarschieren, war das Attentat vom 11. September 2001 auf die USA. Der Strippenzieher der Anschläge, Al-Kaida-Chef Osama bin Laden hatte sich dort unter dem Schutz der Taliban versteckt. Nach dem Kampfeinsatz bildeten Soldaten aus dem Westen vor allem afghanische Streitkräfte aus. Ihren Einsatz geleistet hätten darunter auch 1000 Soldaten aus Gerolstein, etwa die Hälfte davon in der Vulkaneifel verwurzelt, sagte Oberstleutnant Lars-Thorsten Decker, Kommandeur des Informationstechnikbataillons 281 in Gerolstein-Lissingen, vor einigen Wochen unserer Zeitung. In diesem Jahr zog sich der Westen nach einem Friedensabkommen der USA mit den Taliban immer weiter zurück. Die eroberten Gebiete binnen kurzer Zeit zurück. Viele Experten sprechen nun von einem Versagen des Westens.

Fliehen nun mehr Afghanen in die Region?

Die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Katharina Binz (Grüne) geht davon aus, dass sich die Zahl der Afghanen erhöhen wird, die Asyl in Rheinland-Pfalz beantragen. Das Land habe bereits vor Wochen erklärt, bei Flüchtlingen über den vorgeschriebenen Anteil des Landes hinaus weitere Ortskräfte und deren Familien aufzunehmen. Binz sprach von 250 Flüchtlingen, die Rheinland-Pfalz über die Verteilungsquote von bundesweit etwa fünf Prozent hinaus aufnehmen wolle. Aufnahmeeinrichtungen seien dazu in der Lage. In der Region gibt es Einrichtungen in Trier, Hermeskeil und Bitburg.  „Die Bilder in Kabul zu sehen, schnürt mir die Kehle zu“, sagte Binz. Eine stärkere Zuwanderung birgt aber auch wieder Kontroversen: CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet warnte dagegen mit Blick auf den unkontrollierten Flüchtlingsstrom von 2015, ein solcher dürfe sich nicht wiederholen.

Was passiert mit den Afghanen, die schon in der Region leben?

Afghanen, die sicheren Schutz genießen, sorgen sich um ihre Familien, sagt Torsten Jäger vom rheinland-pfälzischen Migrationsausschuss. Er fordert, dass deren Familien das Krisengebiet verlassen und schnell nachziehen können. Für 3848 in Rheinland-Pfalz lebende Afghanen, die nur über eine sogenannte Duldung verfügen, verlangt er einen sicheren Aufenthaltsstatus.

Integrationsministerin Binz fordert einen sofortigen Abschiebestopp, um Menschen die Furcht vor einer Rückkehr nach Afghanistan zu nehmen. Derzeit seien Abschiebungen nur ausgesetzt.

Allerdings: Georg Schmidt, Präsident des für Asylklagen zuständigen Trierer Verwaltungsgerichts, rechnet aufgrund der politischen Lage auf absehbare Zeit ohnehin nicht mit Abschiebungen nach Afghanistan.

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