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Alister Cox, Uhrmacher und Automatenbauer aus London, wird Mitte des 18. Jahrhunderts an den Hof von Qiánlóng, Kaiser von China, gerufen. In der Verbotenen Stadt soll Cox mit seinen drei Gefährten diesem Mann, der sich "Herr der Welt, Der Erhabene, Der Allerhöchste und Herr der zehntausend Jahre" und mit anderen Titeln und Namen "himmelhoch über den Rest der Menschheit hinausheben ließ", nie gesehene Uhrwerke erschaffen.

 Christoph Ransmayr, Cox, S. Fischer, 304 Seiten, 22 Euro.

Christoph Ransmayr, Cox, S. Fischer, 304 Seiten, 22 Euro.

Foto: Ariane Arndt-Jakobs (arn) ("TV-Upload Arndt-Jakobs"

So eine Uhr, die die "Lebenszeit eines Kindes spürbar machen und messen konnte." Und eine für Todgeweihte, die "sich nicht mehr mit der Hoffnung auf eine Art dehnbarer, vorläufiger Unsterblichkeit besänftigen durften". Und schließlich verlangt der Kaiser sogar den Bau eines Perpetuum mobile, einer Uhr, "die über alle Menschenzeit in den Sternenraum hinausschlug, ohne jemals stillzustehen". Diese Geschichte erzählt der Österreicher Christoph Ransmayr in "Cox" noch meisterhafter, als man es von ihm gewohnt ist: Gehaltvoll, plastisch, aus einem Guss - genial. Mit seiner atemraubenden und bezaubernden Poesie vermag er Schönheit, Prunksucht, Machtgier und Grausamkeit im Reich Qiánlóngs heraufzubeschwören. Allein schon durch die Beschreibung der nach Plänen des Kaisers erschaffenen künstlichen Seen, "in denen sich ein von Düften, Blütenpollen und den Kapriolen des Vogelflugs durchsetzter Himmel spiegeln solle als das vom imperialen Willen zur Erde herabbefohlene Universum." Doch: Der Spannungsbogen ist flach, die Symbole bleiben meist oberflächlich. Wie auch die technisch versiertesten und mit Platin, Brillanten und mehr Kostbarkeiten bestückten Uhrkonstruktionen nur die Zeit messen, abbilden, veredeln, nicht aber sie beeinflussen können, vermag diese Sprachkunst oft nur den Schein einzufangen. Das Lesevergnügen allerdings stört das nur peripher: Der Erzählkraft Ransmayrs kann man sich nicht entziehen. Ariane Arndt-Jakobs

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