Die Kulturwoche, betrachtet von Rainer Nolden Abstecher zu Donna Clara und Hempels Sofa

Urlaubszeit ist Museumszeit. Zumindest für einige Reisende. Praktisch für diejenigen, die in irgendeine Richtung mit dem Auto unterwegs sind und jederzeit rechts ranfahren können, wenn es was zu sehen gibt.

Richtung Süden, auf dem Weg nach Italien beispielsweise, gibt’s im schweizerischen Appenzell eine Nostalgieschau mit Musik und Grafik. Die Ausstellung „Oh, Donna Clara“ zeigt erstmals umfassend Musiktitel aus der Zeit des Art Déco. Die teils von namhaften Künstlern gestalteten Cover der Musikpartituren sind Beispiele der angewandten Grafik in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Sortiert sind die Ausstellungsstücke nach in Museumshallen eher ungewöhnlichen Rubriken wie „Bubikopf“, „Mode“, „Paartanz“, „Radio“, oder „Tango“. Mit ihren Umschlaggestaltungen feierten die Grafiker nicht nur die Musik – vom Schlager bis zur klassischen Komposition; sie gaben den 1920er/1930er Jahren den modernen Look, der noch heute als Kennzeichen dieses „Goldenen Jahrzehnts“ wahrgenommen wird. Die Grafiker, darunter Jean Aumond, Otto Dely, Willy Herzig, Hans Neumann oder František Zelenka, nutzten visuelle Errungenschaften des Jugendstils, des Fauvismus bis hin zum Konstruktivismus, um den Kompositionen von Irving Berlin („Cheek to cheek“), Nacio Herb Brown („Singin‘ in the rain“), Willy Engel-Berger („In Hamburg an der Elbe, gleich hinter dem Ozean“), Walter Kollo („Die Männer sind alle Verbrecher“), Willy Rosen („Was macht der Mann da auf der Veranda?“), Albert Roussel („O bon vin, où as-tu crû?“, Paul Schoop („Am Zürisee, am Zürisee“), Robert Stolz („Ob blond, ob braun, ich liebe alle Frau‘n“)  und viele andere ein zeitgemäßes und noch immer modernistisch wirkendes Gesicht zu geben. Und um das nostalgische Element auf die Spitze zu treiben, gibt es zusätzlich eine Auswahl von originalen Radios der 1920/30er Jahre – jene Geräte also, die mit grün leuchtendem Auge ihre Funktionsfähigkeit optisch signalisierten, auch wenn die Musik oder die Sprache erst nach einer etwa fünfminütigen Aufwärmphase zu hören war. Zu sehen ist „Oh, Donna Clara“ bis zum 20. Oktober in der Kunsthalle Ziegelhütte in Appenzell.

Wer in die entgegengesetzte Richtung unterwegs ist, etwa an die Nordsee, kann einen Abstecher zum Altonaer Museum in Hamburg machen. Dort beleuchtet eine Ausstellung bis zum 19. Oktober unter dem Titel „Mein Name ist Hase“ Redewendungen, die alle kennen, von denen aber kaum einer weiß, wo sie herkommen. Oder können Sie auf Anhieb sagen, warum wir „Lampenfieber“ haben oder die „Katze im Sack“ kaufen? Hempels Sofa ist übrigens auch ausgestellt – und zwar so günstig, dass man auch drunterschauen kann. Am Sprichwort-Generator können große und kleine Besucher ihre eigenen Redensarten kreieren – und wer weiß, vielleicht gehen die eines Tages auch in die allgemeine Redensartensammlung ein.

Wer sich vorm Erreichen des Urlaubsziels mal hinsetzen will, ist wiederum in München am richtigen Ort. In der Pinakothek der Moderne gibt es anlässlich des 200-jährigen Bestehens des Sitzmöbelherstellers Thonet eine Ausstellung mit den Klassikern an Ess- und Wohnzimmerstühlen. Wegbereiter der Bugholzmöbel war Michael Thonet (1796-1871). Der aus dem rheinischen Boppard stammende, seit 1842 in Wien lebende Schreinermeister setzte Maßstäbe für die Formgebung des Maschinen- und Industriezeitalters. Seine grandiose Leistung bestand in einem Verfahren, Buchenholzstäbe unter Dampfeinwirkung und Druck in geschwungene Formen zu biegen – ein Verfahren, das sich bestens für die Serienproduktion eignete. Neu war auch, dass die Einzelteile nicht mehr verleimt, sondern geschraubt wurden. Dadurch ließen sich die Stühle zerlegt verschicken. So könnte man in der Firma quasi die Urzelle des Versandhandels sehen. Die Ausstellung dauert bis zum 2. Februar. no

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