Kultur Eifeler startet mit dem Kölner Label „JazzHausMusik“ stetig neue Projekte

Köln/Trier · Immer wieder erstaunlich kreativ: Georg Ruby leitet das Kölner Label „JazzHausMusik“ und startet dabei stetig neue Projekte.

„JazzHausMusik“ – der Titel dieser erstaunlichen Einrichtung, die vom Standort Köln weit ausstrahlt auf die nationale und internationale Jazz-Szene, er spricht für sich. Keine Anglizismen, keine ausgeschmückte Schrift – nichts, was Phantasie signalisiert, ohne Phantasie zu sein. Sogar die grafische Konzentration der drei Begriffe auf ein Wort mit drei Großbuchstaben hat einen eher musikpraktischen Hintergrund. Es lässt sich für Programme und Ähnliches einfach verkürzen auf „JHM“. Das ist das Markenzeichen der „JazzHausMusik“. Und wer in dieser nüchternen, ganz und gar unprätenziösen Selbstdarstellung den Betreiber Georg Ruby erkennt, liegt so falsch ganz sicher nicht. Ruby, emeritierter Jazz-Professor in Saarbrücken, in der Eifel zuhause und mit der Trierer Jazz-Szene eng verbunden, ist seit Langem die treibende Kraft in dieser ungewöhnlichen Initiative. Seit den 1990er Jahren betreibt er von seinem Wohnort in Hofweiler bei Kordel aus das JHM-Label – in Eigenregie und auf eigenes finanzielles Risiko.

Die „JazzHausMusik“ wurde zusammen mit der „Initiative Köln Jazz Haus“ 1980 gegründet. Ziele der Organisationen waren und sind: gute Musik zu machen, auch wenn damit keine Reichtümer zu erwerben sind. Die Unabhängigkeit von Geldgebern, von Profiten und von Vertretern bestimmter, zufällig aktueller Stilrichtungen bleibt so gesichert. Als in den frühen 1990-er Jahren etliche Musiker das Projekt JHM verließen, übernahm Georg Ruby die Firma als Einzelgewerbe auf seinen Namen.

Georg Ruby hat für JHM vier Grundsätze formuliert:

1. JHM ist ein Non-Profit-Label für hochrangige Projekte im Bereich des Jazz und der improvisierten Musik. Wenn Erlöse anfallen, kommen die nach Abzug der Selbstkosten den Künstlern zugute.

2. Alle produzierten CDs bleiben im Besitz der JHM-Musikerinnen.

3. Alle Rechte an den produzierten Tonträgen und ggf. alle sonstigen Rechte verbleiben bei den Musikerinnen.

4. Keine Subventionen – weder von Privat noch von der öffentlichen Hand und auch nicht von „Initiative Köln Jazz Haus“.

Was Ruby andeutet: Eine finanzielle Beteiligung des Betreibers ist wahrscheinlich nicht zu vermeiden, wird aber von ihm in Kauf genommen. Zur Geschäftsführung gehört in diesem Fall auch, „pro Jahr circa zwei- bis dreitausend Euro in die Aufrechterhaltung des Labelbetriebs zu investieren. Ich bin dazu gerne bereit.“ Für Ruby ist diese Form kultureller Selbstorganisation nicht zuletzt ein Weg zur Weiterentwicklung künstlerischer Qualitäten jenseits aller eingefahrenen Klischees.

Unter dem Etikett „JHM“ sind mittlerweile mehr als 270 Produktionen erschienen. Und doch gibt es für Ruby und seine Mitstreiter offenbar keinerlei Ermüdungserscheinungen. Auch die vier jüngsten Einspielungen glänzen mit einer ganz unkonventionellen Kreativität.

„Vanishing Points“ – Fluchtpunkte lautet der Titel einer CD mit dem „Composer’s Orchestra Berlin“ (COB). Dieser Klangkörper unterscheidet sich in seiner diffizilen Besetzung deutlich von Bigband-Produktionen. Der Besetzungs-Mix aus Holz- und Blechbläsern und sogar Streichern eröffnet neue Klangwelten. Auf der aktuellen CD spielt das Orchester ausschließlich Kompositionen von Dirk Strakhof, Bassist und Orchestermitglied seit 2011. Der komponiert und improvisiert mit einer geradezu postmodernen Offenheit: „Anything goes“ (JHM 271).

RAMSCH ist ein frei improvisierendes Trio aus Basel. Die Musiker des Trios, und dazu Klangkünstler Robin Michel als Gast, haben sich für drei Wochen in ein abgelegenes Tal der italienischen Schweiz zurückgezogen. Die Geräusche und Stimmungen in diesem Tal werden bei ihnen zu künstlerischen Ereignissen. Eine scheinbar regellose Geräusch- und Stimmungskulisse gewinnt durch die Kollektiv-Improvisation zunehmend Klangkonturen und wandelt sich vom Naturlaut zum ästhetischen Gegenstand. Da liegen die akustische und in Teilen vielleicht auch die optische Avantgarde der 1960er Jahre sehr nahe. Übrigens: Der Titel „Carabattola“ bezeichnet im Italienischen, was Deutsche „Ramsch“ nennen (JHM 272).

Yaroslav Likhachev, geboren 1991 in Russland, lebt und arbeitet in Köln. „Crombling“ – Krümel heißt seine erste CD. Likhachev und sein Quartett bestechen mit einer sehr warmen, teils auf Terzen basierenden Harmonik und finden nach einem eher konventionellen Start rasch zu erstaunlich unklischierter Lyrik. Alle Kompositionen stammen vom Bandleader. „Crumbling“ wird dabei verstanden als akustischer Prozess. Klang-Fragmente verbinden sich zu neuen, unerwarteten Resultaten – Musik wie in einem Mosaik (JHM 273).

Die vier Musikerinnen von „playground 4“ haben sich bei einem musikalischen Blind Date gefunden – und bezeichnen ihr Zusammentreffen als „absoluten Glücksfall“. Mit Stephanie Wagner ist eine der wenigen Jazzflötistinnen Europa dabei. Ihre CD-Neuerscheinung „Hit the Ground Running“ – bring den Boden in Bewegung – besticht mit einem ganz natürlich fließenden, sehr kantablen Musizierstil. Fast drängt sich das Klischee vom „femininen“ Musizieren auf. “playground 4“ orientiert sich zudem an außereuropäischer Melodik – unter anderem afrikanisch oder auch indianisch. Da ist die Weltmusik nicht mehr fern (JHM 274).

Alle CDs bei JazzHausMusik, Venloer Str. 40, 50672 Köln. Telefon: 0221/95299450, E-Mail: jhm@jazzhausmusik.de. Weitere Infos online unter www.jazzhausmusik.de

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