Trier Neue Suite: Einfallsreich und ganz ohne Auftrag

Trier · Joachim Reidenbach über seine Komposition für Orgel oder Cembalo und acht Holzbläser.

(mö) Der Titel löst ein ganzes Bündel von Assoziationen aus. „Suite in 6 Sätzen für Cembalo oder Orgel manualiter und 8 Holzbläser“ – welche Vielfalt klingt da mit! Joachim Reidenbach appelliert mit seiner neuen, gerade abgeschlossenen Komposition an den musikalischen Horizont des Hörers. Musik für Bläser – wer denkt da nicht an Mozarts Bläserserenaden? Musik für Orgel – da sind religiöse Empfindungen nicht mehr fern. Die alternative Cembalo-Besetzung könnte die Komposition sogar rückdatieren in die 1920er Jahre, als Cembalo und Cembalomusik eine erste Blüte  erfuhren – bis Adornos „Kritik des Musikanten“ in den 1950ern das ideologische Potenzial der „jungen Musik“ aufdeckte. Sogar die Zahl der sechs Sätze lässt sich inhaltlich verstehen als Distanz zur meist viersätzigen Sinfonik. Eine Suite, also eine Reihungsform, folgt einfach anderen musikalischen Gesetzen als eine klassische Sonate. Und dass Reidenbach diese Musik ganz ohne Auftrag für Josef Still schrieb, ist eine Reverenz an den Domorganisten, wie sie unter Musikern nicht oft vorkommt.

Joachim Reidenbach hat sich nicht beschränkt auf solche mal untergründigen, mal offensichtlichen Anklänge. Seine Ideen schlagen sich in der Struktur der Komposition nieder. Geradezu abwehrend vermerkt er in einer Notiz zum Beginn des zweiten Satzes „kein eigentliches Thema“. Reidenbach dazu: „Ich wollte eine unthematische Musik komponieren. “ Was bedeutet: Anders als bei Musik der klassisch-romantischen Epoche mit ihren deutlich abgegrenzten Abschnitten überlässt sich der Komponist  einfach den Entwicklungen der Töne und Akkorde. Und die sind nicht fest gefügt wie traditionelle Themen, sondern fließend, dynamisch und damit erweiterungsfähig. Die Musik nimmt einen Anfangsimpuls auf und trägt ihn weiter.  Das verbindet Reidenbachs Komposition mit  der Barockzeit. Der Einfallsreichtum des Komponisten steht dabei im Mittelpunkt. Denn langweilig darf auch eine „unthematische“  Komposition selbstverständlich nicht werden.

Langweilig ist Reidenbachs Suite ganz sicher nicht. Der Komponist hat ein Übriges getan und einigen Sätzen Bezeichnungen mitgegeben. „Rondo“ nennt er den Einleitungssatz,  „Rezitativ“  das fünfte Stück. Und das Finale bezeichnet er als „Gigue“ und stellt sie in einen beweglichen 12/8-Takt. Gigue ist der Tanz, der zu Barockzeiten in aller Regel eine Suite abschloss und der auch beim Stilwechsel vom Barock zur Vorklassik vielfach als Finale erhalten blieb. Die Tonartendisposition des Gesamtwerks belegt zudem:  Reidenbach hat zielbewusst geplant.  Vom einleitenden C-Dur an entfernt sie sich über a-Moll bis g-Moll und kehrt über c-Moll zu G-Dur und wieder zurück zu C-Dur. Auch in der Tonart ist die Satzfolge damit vielfältig und zugleich geschlossen. Das Datum der Uraufführung steht noch nicht fest – kein Wunder bei den aktuellen Corona-Krisenzeiten.  Außerdem steht eine weitere Komposition Reidenbachs über den „Sonnengesang des heiligen Franziskus“ für große Besetzung noch in der Warteschleife. Immerhin verraten vereinzelte Einzeichnungen in der Partitur schon, dass sich der Trierer Domorganist mit dem nicht ganz einfachen Werk beschäftigt hat.

Joachim Reidenbach, Suite in 6 Sätzen für Cembalo oder Orgel manualiter und 8 Holzbläser. Die Besetzung: Piccoloflöte, Querflöte, Klarinette I/II, Oboe I/II, Fagott, Kontrafagott, Cembalo (elektronisch verstärkt) oder Orgel. Zeitpunkt der Uraufführung ist noch offen.

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