Vinyl der Woche: Metallica - Metallica Wohltuender Mainstream

Serie · Vor genau 30 Jahren landen Metallica mit ihrem „Black Album“ im Mainstream. Klingt negativ? Ist es aber nicht. Denn das Album ist ein perfektes Beispiel dafür, wieso es okay ist, Durchschnitt zu sein.

 Metallica - Metallica

Metallica - Metallica

Foto: Band

Ich würde Sie heute gerne wieder einmal mitnehmen auf eine Reise in meine ganz persönliche Vergangenheit. Meine Kindheit. Irgendwo im Hochwald. Zwischen Bolzplatz und Pfirsich-Eistee. Wie jeder andere hatte auch ich diese eine Band, die mich zur Musik brachte (wobei ... genau genommen sogar zwei, aber lassen wir Herbert Grönemeyer hier heraus). Bei mir begann alles mit Metallica. Nothing Else Matters. Enter Sandman. Sad But True. Hach, herrlicher ... was ist das eigentlich? Vielleicht ist es gut, dass man sich als Kind keine Gedanken über die Musikrichtung macht. Speed Metal? Ist dieses Metal noch heavy? Vollkommen egal. Ich habe das „Black Album“ – eigentlich Metallica von Metallica – geliebt. Und genau darin liegt auch heute, exakt 30 Jahre nach seiner Veröffentlichung, das größte Problem der Platte.

Denn ein Neunjähriger aus dem Hochwald sollte Heavy Metal nicht schön finden. Klar, es gibt Ausnahmen, aber schon die Tatsache, dass sich Metallica dabei in einer Reihe mit Herbert Grönemeyer (Mist, da ist er ja doch...) befindet, zeigt: Ich war damals kein Heavy-Metal-Fan. Ich wusste nicht einmal, was das ist. Dass mir die Musik dennoch gefiel, zeigt: Mehr Mainstream geht kaum.

Ich liebe Metallica noch heute. Ich höre sie kaum noch. Aber so ist das wohl mit der ersten Liebe: Auch wenn du sie nicht siehst, irgendwo in deinem Hinterkopf, wird sie dich immer begleiten. Deshalb wird ziemlich sicher irgendwann auf meiner Hochzeit ein mäßig begabter Akustik-Musiker Nothing Else Matters spielen. Deshalb werde ich immer mitwippen, wenn Enter Sandman als Einlaufhymne von Arminia Bielefeld läuft. Deshalb wird die erste Platte, die – oje, jetzt wird es sehr privat – meine Kinder hören, genau dieses Album sein. Weil das größte Problem dieser Platte ist, dass sie auch als Duden-Definition von Mainstream durchgehen würde. Dass das ihr größtes Problem ist, zeigt, welch’ ein Meisterwerk Metallica hier geschaffen haben.

Metal-Hartgesottene werden mich jetzt vielleicht hassen und nie wieder diese Kolumne lesen. Aber: Mainstream ist gut. Die eigentliche Duden-Definition des Wortes lautet: „vorherrschende gesellschaftspolitische, kulturelle oder ähnliche Richtung“. In der heutigen Gesellschaft hat sich etwas etabliert, dass sich an diesem Album als Beispiel festzurren lässt: Wir denken, dass wir irgendetwas tun, hören oder mögen müssen, was als Alleinstellungsmerkmal dient. Ausgefallene Hobbys, verrückte Klamotten, bloß keine Musik, die jeder mag. Und das ist okay – ach, vielleicht sogar gut. Denn es fördert die Diversität unserer Gesellschaft. Motto: Zeig mir deine Welt, ich zeig dir meine.

Aber hey, manchmal ist es auch noch immer vollkommen okay, in der gleichen Welt zu leben. Fußball zu spielen. Einfach T-Shirt und Jeans zu tragen. Metallica zu hören. Denn wenn eine Sache vielen gefällt (... Mainstream), dann kann sie nicht so schlecht sein. Mainstream ist zwar negativ konnotiert, aber nichts Schlechtes. Denn wenn eben Genanntes die Diversität unserer Gesellschaft fördert, kann der Mainstream genau das beim Zusammenhalt schaffen.

So, genug tiefgründige Gesellschaftsanalyse. Fakt ist: Metallica hat mit dem „Black Album“ ein Meisterwerk geschaffen, das noch heute zu den meistverkauften Alben aller Zeiten gehört. Wenn eines meiner Kinder irgendwann im Hochwald über Metallica zur Musik findet, dann ist das okay. Ach, sogar gut so.

In der Kolumne „Vinyl der Woche“ stellt der Trierische Volksfreund wöchentlich eine Schallplatte vor – von Neuerscheinungen, über besondere Alben bis hin zu Klassikern. Alle Serienteile finden Sie hier.

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