Unterm Strich – Die Kulturwoche Was uns Namen verraten

Von „sprechenden Namen“ in der Literatur ist die Rede, wenn die Charaktereigenschaften des Trägers mit dem, was sein Name andeutet, übereinstimmen. In Kleists „Zerbrochenem Krug“ beispielsweise sind die Protagonisten nach Adam und Eva benannt, die sich dem Sündenfall anheimgeben; der Gerichtsrat heißt Walter, der über Recht und Unrecht waltet, und der Gerichtsschreiber Licht schließlich bringt Klarheit ins Dunkel der Intrigen.

 Der Nachname May der britischen Premierministerin bedeutet übersetzt „könnte“, „dürfte“. 

Der Nachname May der britischen Premierministerin bedeutet übersetzt „könnte“, „dürfte“. 

Foto: dpa/Rob Pinney

Frischs Biedermann ist ein ebensolcher, der den Brandstiftern auf den Leim geht, und Wurm heißt der schleimige, machthungrige und intrigante Sekretär des Präsidenten (ebenfalls „von Walter“), in Schillers „Kabale und Liebe“. Charaktereigenschaften, die sich im Namen andeuten, gibt es selbstverständlich in allen Sprachen – Willy Loman in Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ ist ein „low man“, ein kleiner Mann am unteren Rand der Gesellschaft, und Holly Golightly in Truman Capotes „Frühstück bei Tiffanys“ eine junge Frau, die das Leben auf die leichte Schulter nimmt.

Sprechende Namen kommen auch in der Realität vor; da sind sie allerdings dann ein Produkt des Zufalls. Oder doch nicht? „Wär mein Leben ein andres geworden, wenn sie mich auf Natascha getauft?“, sang einst Hildegard Knef. „Hat man sich erst einmal an sich selbst gewöhnt, an Name, Farbe, Zubehör, sogleich fällt es schwer sich vorzustellen, wie es wär, wenn es anders wär“, endet das Chanson. Der Wunsch von Erich Kühnhackl, Eishockey-Profi zu werden, wurde nach seinen eigenen Angaben durch den Namen bestärkt; der aus Traben-Trarbach stammende Wolfgang Leistenschneider wurde ein berühmter Urologe. Und das „Öc“ im Namen des Führers und Vorsitzenden der PKK, Abdullah Öcalan, bedeutet „Rache“.

Womit wir endgültig bei der Politik gelandet wären. Schauen wir im Wörterbuch, sagen wir, unter „may“ nach. Das bedeutet „könnte“, „dürfte“, aber eben nur als Möglichkeit. Vielleicht wäre die britische Premierministerin besser dran mit dem Namen Theresa Can. Blättern wir weiter zu t wie „trump“. Dazu liefern diverse Diktionärs folgende Eindeutschungen: „auftrumpfen“ beziehungsweise „übertrumpfen“, „jemanden ausstechen“ und etwas „heraustrompeten“ oder „erfinden“. Die Ableitung trumpery bezeichnet „Plunder“, „Flitterkram“ und „Unsinn“, als Adjektiv heißt es so viel wie „billig“ oder „Ramsch“. „trump up“ bedeutet, „sich eine haltlose Anschuldigung aus den Fingern saugen“. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt – auch wenn es etwas anrüchig ist, und wir bitten die Leser wegen des klaren Wortes vorab um Entschuldigung –, dass das Verb „to trump“ unter anderem auch „furzen“ heißt.

Anders ausgedrückt: Hätten die Menschen vor der US-Wahl ein bisschen Namensforschung betrieben, wäre ihnen der derzeit in Brüssel randalierende Godzilla-Präsident vielleicht auch nicht erspart geblieben. Aber sie hätten wenigstens ahnen können, was da auf sie zukommt …
Rainer Nolden

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