Intensives Laufen verschleißt die Gelenke nicht

Hamburg · Rund 280 000 Freizeitsportler in Deutschland nehmen regelmäßig an Laufwettbewerben teil, etwa 140 000 starten bei einem Marathon und 130 000 bei einem Triathlon. "Ein gesunder Marathonläufer schädigt seine Kniegelenke nicht", hat Privatdozent Dr.

Wolfgang Krampla vom Wiener Donauspital auf dem Deutschen Röntgenkongress im Juni in Hamburg hervorgehoben. Der Radiologe, dessen Forschungsschwerpunkt unter anderem Überlastungsschäden bei Sportlern sind, hat zehn Jahre lang die Kniegelenke aktiver Marathonläufer mithilfe der Magnetresonanztomografie untersucht. Die detailscharfen Bilder vom Inneren des Körpers machen bereits leichte Abnutzungen an Gelenken oder Vorschäden deutlich sichtbar.
Krampla hat Sportler durchleuchtet, die zwischen der ersten Aufnahme und der letzten Kontrolluntersuchung nach rund zehn Jahren bis zu 40 000 Kilometer gelaufen waren. Die Kniegelenke gesunder Läufer zeigten im Untersuchungszeitraum keinerlei neu aufgetretenen Abnutzungserscheinungen. Das Gleiche hat der Mediziner bei zahlreichen Hobby- und Profisportlern festgestellt, die er betreut. "Entgegen der weitverbreiteten Meinung schädigt die Marathondisziplin Menisken, Knorpel und Knochen nicht", betont der Radiologe. Dabei wirken auf die Kniegelenke beim Laufen enorme Belastungen. "Bei jedem Schritt ist es das Dreifache des Körpergewichts", sagt Krampla. "Das sind bei einem 75 Kilogramm schweren Mann pro Schritt 225 Kilogramm. Beim Marathon summiert sich das auf 6200 Tonnen, die die Kniegelenke abfedern müssen."
So erfreulich diese Ergebnisse auch sind, doch bei Laufwettbewerben wie Halbmarathon, Triathlon und Marathon starten keineswegs nur kerngesunde Teilnehmer. Eine Studie der Klinik Klagenfurt hat gezeigt, dass 60 Prozent der Teilnehmer von Triathlon-Wettbewerben schon vor dem Start sogenannte Mikroverletzungen aufwiesen. Die Mediziner hatten in drei Jahren 50 Athleten untersucht, die am Kärntner Ironman (3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42,2 Kilometer Laufen) teilnahmen. 2007 gab es eine Ganzkörperuntersuchung mithilfe der Magnetresonanztomografie. "An der Wirbelsäule und den oberen Extremitäten fanden wir keinerlei krankhafte Veränderungen", sagt die Radiologin Dr. Sandra Habernig, die die Studie geleitet hat. "Doch in der Muskulatur der Beine, in den Kniegelenken, Sehnen und Knochen stießen wir auf Veränderungen." In den folgenden beiden Jahren wurden die Athleten nur noch vom Becken abwärts untersucht, wobei sich die Befunde bestätigten. Wieder entdeckten die Wissenschaftler bei 60 Prozent der Triathleten bereits vor dem Start Mikroverletzungen: geringe Gelenkergüsse, Flüssigkeit in den Schleimbeuteln, Flüssigkeitsansammlungen (Ödeme) in Muskeln und Knochen sowie um Sehnen herum. Bei allen drei Wettkämpfen wurden die Sportler auch nach der Veranstaltung untersucht. "Bei einigen Athleten hatten sich im Laufe des Wettkampfs die Vorschäden vergrößert", berichtet Sandra Habernig. Sie entwickelten sich zu Kniegelenkergüssen, Entzündungen der Achillessehne, Schleimbeutelergüssen sowie stärkeren Flüssigkeitsansammlungen in Muskeln und Knochen.
Mikroverletzungen deuten in der Regel auf Überlastungen hin. "Doch meist nehmen die Sportler solche kleinen Vorschäden nicht wahr, weil sie noch nicht schmerzen", erläutert Sandra Habernig. "Daher trainieren die Athleten weiter, obwohl der Körper schon eine Pause bräuchte oder man im Training mindestens einen Gang zurückschalten müsste."
Die Ärztin der Klinik Klagenfurt lässt wie ihr Kollege Wolfgang Krampla vom Donauspital in Wien keinen Zweifel daran, dass viele Sportler zu schnell und zu intensiv trainieren. "Bei unsportlichen Menschen ist das leider die Regel", sagt Krampla. Mikroverletzungen führen häufig zu Überlastungsschäden. Dazu zählen bei Läufern Brüche im Mittelfußknochen. "Auch Brüche des Fersenbeins und des Schienbeinkopfes sind gar nicht so selten", berichtet Wolfgang Krampla. "Und auch ein Bruch im Schenkelhals, der zwar nicht durchbricht, aber bis zur Hälfte reißen kann, zählt zu den Überlastungsschäden." Solche Verletzungen seien im Röntgenbild nicht oder nur schwer zu erkennen, während die Magnetresonanztomografie schon Vorschäden wie Knochenmarködeme - vermehrte Wasseransammlungen in Knochen - sichtbar mache.
Ein gut dosiertes Lauftraining hat sogar positive Auswirkungen auf Knochen, Gelenke und Muskeln. Gespannte Muskeln üben auf Knochen, an denen sie über Sehnen verankert sind, starke Zugkräfte aus. "Diese mechanischen Reize regen das Knochenwachstum an, die Knochendichte nimmt zu", erläutert Wolfgang Krampla. Die Reize kräftigen zudem die Sehnen und festigen das Bindegewebe, weil die Produktion von Kollagen angekurbelt wird, eines Eiweißes, das die Sehnen reißfester macht und die Haut strafft. "Doch solche Anpassungserscheinungen brauchen Zeit", erläutert Krampla. "Viele Läufer, vor allem Anfänger, trainieren jedoch zu schnell und zu intensiv, was oft zu den bekannten Überlastungsschäden wie Knorpelschäden, Muskelödemen und Ermüdungsbrüchen führt."
Um sich davor zu schützen, sollten Anfänger, die sich auf einen Marathon vorbereiten, ihre Distanz und ihr Lauftempo im Training nur langsam steigern, rät Krampla. Zwei Jahre Training seien mindestens erforderlich, um für den Wettbewerb fit zu sein. Geübte Läufer sollten im Training pro Woche höchstens 80 Kilometer laufen. "Bei diesen Distanzen kommt es zu den gewünschten Anpassungserscheinungen des Herz-Kreislaufsystems, der Knochen, Gelenke und der Muskulatur. Ab zirka 100 Kilometer Trainingsumfang pro Woche nehmen Überlastungsschäden dramatisch zu, da den Sportlern nicht genug Zeit zum Regenerieren bleibt." Besonders ehrgeizige Freizeitsportler laufen im Training bis zu 120 Kilometer wöchentlich. Das sind Distanzen, die Profis absolvieren. "Die wenigsten Überlastungsschäden treten bei mittelmäßig trainierten Läufern auf", so Krampla.
volksfreund.de/laufen

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