Motorsport Trierer Talent hat jetzt wieder ein Dach über dem Kopf

Trier · Sich durch die Klassen des Formel-Sports kämpfen – das gilt weiterhin als Königsweg, um im Motorsport nach oben zu kommen. Der 18-jährige Niklas Krütten steht auf einem anderen Standpunkt – und ist nun in den Langstreckensport abgebogen.

Motorsport: Der Trierer Niklas Krütten will's auf der Langstrecke wissen (mit Bildergalerie)
Foto: -/Matthias Schütt

Niklas Krütten ist ein junger Mann, 18 Jahre alt, der gerne viel von der Welt sehen möchte. Sein Job als Autorennfahrer ermöglicht ihm dies. Dennoch ist er auch immer wieder froh, wenn er mal zu Hause bei seinen Eltern in Trier ist. „Ich kann dann sehr gut zwischen den Rennen abschalten“, sagt Krütten.

Gar nicht an den Motorsport denken – das geht dann aber doch nicht. In einem Raum im elterlichen Domizil hat sich Krütten einen Rennsimulator einrichten lassen. Vier Monitore, ein Sitz mit Liegeposition, Lenkrad mit Display, hydraulisch verstellbare Pedale – dazu die Software, mit der er virtuell auf den Rennstrecken dieser Welt unterwegs sein kann. Es fehlt an nichts.

Wer vorankommen will, muss auch abseits der Rennstrecke am Simulator eifrig Runden drehen. Und an der Fitness arbeiten. „Ich trainiere sechs Mal die Woche. Ich mache viel Cardiotraining, zudem Kraftübungen. Der Fitnesstrainer unseres Teams, der auch den Formel-1-Fahrer Lando Norris betreut, versorgt uns von England aus mit den Plänen.“

Krüttens Team ist seit diesem Jahr ein anderes. Der Trierer ist aus der Formel 3 in den Langstreckensport gewechselt. Für das Team Cool Racing bestreitet er die ,European Le Mans Series‘ (ELMS) – mit seinen Kollegen Matt Bell aus Großbritannien und Nicolas Maulini aus der Schweiz fährt er in der LMP3-Klasse. LMP steht für Le-Mans-Prototyp, die 3er-Klasse dient dem Einstieg in den Langstreckensport. Zudem stehen 2021 Starts bei Langstreckenklassikern in der ,IMSA WeatherTech SportsCar Championship‘ in den USA auf dem Programm – dabei handelt es sich um die höchste amerikanische Sportwagenserie.

 Der Trierer Niklas Krütten (18) ist vom Formel- in den Langstreckensport gewechselt. Zum Saisonstart gab’s in zwei Rennen zwei Siege.

Der Trierer Niklas Krütten (18) ist vom Formel- in den Langstreckensport gewechselt. Zum Saisonstart gab’s in zwei Rennen zwei Siege.

Foto: -/JULES BEAUMONT

Damit verlässt Krütten den klassischen Weg, den er 2010 mit seiner ersten Saison in einem Minikart eingeschlagen hatte und der ihn über den internationalen Junior- und Senior-Kartsport in die Formel 4 und zuletzt Formel 3 geführt hatte. Anders als andere talentierte Nachwuchsfahrer geht Krütten, der die Schule nach der zehnten Klasse am Auguste-Viktoria-Gymnasium beendet hat, um vorerst ganz auf die Karte Motorsport zu setzen, nicht in die Formel 2. „Heutzutage in die Formel 1 zu kommen, ist unrealistisch. Auf dem Weg dorthin – in der Formel 2 – bezahlt man viel Geld für wenig Streckenzeit. Und wenn man dort nicht direkt vorne dabei ist, verlieren Formel-1-Teams das Interesse“, sagt Krütten, der das Budget für ein Jahr in der Formel 2 auf zwei Millionen Euro taxiert.

Um sich als Fahrer weiterzuentwickeln, erachtet er den Langstreckensport als sinnvoller. Zumal in diesem Segment Bewegung ist. Krütten: „Das Le-Mans-Programm wird umgebaut. Renommierte Hersteller wie Porsche, Audi oder Peugeot kommen wieder zurück.“ Neue Autos, neue Regeln – Krütten will die aktuelle Saison zur Akklimatisierung nutzen, um auf Sicht im neuen Top-Format im Langstreckensport durchzustarten. Und er hat einen Traum: „Einmal die 24 Stunden von Le Mans gewinnen.“ Die Klasse LMP3 ist dort nicht vertreten, doch im Rahmenprogramm wird er die Strecke im Nordwesten Frankreichs kennenlernen. Und auch vor der Haustür plant Krütten in Zukunft einen besonderen Start: „Ich mache die Nürburgring-Lizenz. Ich will auch dort das 24-Stunden-Rennen fahren.“

Wie groß ist die Umstellung von einem Formel-Boliden zu einem Sportwagen-Prototyp, mit dem Krütten in den Langstreckenrennen unterwegs ist? Der Trierer sitzt im Cockpit eines Ligier JS P320, der in der Spitze 290 Kilometer pro Stunde schnell ist. „Ungewohnt war zunächst, dass ich jetzt wieder ein Dach über dem Kopf habe. Das Auto ist länger als das Formel-3-Auto – es ist eine Herausforderung, die Distanzen einzuschätzen. Und der Ligier ist schwerer, das erfordert ein anderes Bremsverhalten“, erklärt der 18-jährige Trierer, der Förderpilot der ADAC Stiftung Sport ist. Hinzu kommt das Teamplay – die meist vier Stunden langen Rennen absolviert ein Fahrer-Trio, es gibt entsprechende Cockpit-Wechsel. Krütten: „Das ist schon etwas anderes. Im Formel-Sport war man immer Rivale des anderen. Nun ist Zusammenarbeit unter den Fahrern gefragt. Man teilt Informationen, um sich zu helfen. Und die Verantwortung ist größer. Wenn man einen Unfall baut, schadet man nicht nur sich, sondern auch seinen Teamkollegen.“

Der Trierer Niklas Krütten in der European Le Mans Series
12 Bilder

Der Trierer Niklas Krütten in der European Le Mans Series

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Foto: -/Jules Beaumont

Auch die körperlichen Anforderungen sind etwas anders. „Die Formel 3 war körperlich anstrengender, im Langstreckensport ist dagegen die Konzentrationsfähigkeit ein großer Faktor“, sagt Krütten. Damit Körper und Geist fit sind, braucht es eine ausgewogene Ernährung, die ein Berater per Essensplänen steuert. Überraschend – bei der Zubereitung steht Krütten selber am Herd: „Ich bin zwar nicht so schnell wie meine Mutter, aber es schmeckt.“

Der Saisonstart in der ELMS verlief für Krütten verheißungsvoll. Sowohl in Barcelona als auch im österreichischen Spielberg gelang mit seinen Kollegen der Klassensieg in der LMP3 – als Tabellenführer geht’s Anfang Juni weiter im französischen Le Castellet. Weitere Stationen sind Monza, Spa-Francorchamps und Portimão.

Ganz vom Formel-Sport will sich Krütten indes nicht abwenden. Er schaut im Fernsehen weiterhin die Formel 1 - „auch wenn dort zu viel Politik und Geld eine Rolle spielt“, wie der Nachwuchsfahrer findet. Und eine Rückkehr in den Formel-Sport schließt er nicht aus: „Vielleicht wird die Formel E mal ein Thema für mich.“

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