Kolumne Eifel-Einsichten Im Namen der Wahrheit

Vielleicht haben es einige von euch ja gesehen: Wie am Donnerstag die 95-jährige (bald wird sie 96) Monique Lévi-Strauss im Landtag gesprochen hat.

Kolumne Eifel-Einsichten
Foto: TV/Klaus Kimmling

Der Anlass ist bekannt genug: Es war der Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus. Und wie wir hier ja wissen, hat Monique Lévi-Strauss, Tochter einer jüdischen Mutter, sechs Jahre im nationalsozialistischen Deutschland verbracht, zuletzt wohnte sie in Gerolstein und fuhr täglich mit dem Zug nach Prüm, zum Regino-Gymnasium, wo sie 1944, es ist wirklich eine nahezu unglaubliche Geschichte, ihr Abitur machte (ich schrieb darüber im vorigen Jahr, als ihr Buch über diese Zeit auf Deutsch veröffentlicht wurde). Im Landtag erzählte sie auch, wie sie mit ihrer Freundin Lieselotte am Tag der Abi-Prüfung auf Geheiß des Lehrers die Mathe-Aufgaben durchging, bis Lieselotte alles kapiert hatte und bestand. Eine schöne Geschichte, und es ist ihrer großen Menschlichkeit und ihrem ansteckenden Humor zu verdanken, dass selbst an diesem Tag, in dieser Stunde, kurz auch mal gelacht werden durfte. Neben all dem Schrecklichen, von dem sie berichtete.

Ich stehe noch immer unter dem Eindruck ihres Auftritts und dessen, was sie dort sagte. Und wie sie es sagte. Sie antwortete dabei auf die Fragen über ihre Zeit im damaligen Deutschland, gestellt von Prümer Gymnasiastinnen, die vorher in einem kurzen Film aufgetreten waren. Ich verfolgte die Feier am Computer, ließ die Arbeit stehen und liegen und spürte, wie sich ein paar Tränchen in meine Augen stahlen. Weil es so ergreifend war.

Jetzt arbeiten hier alle daran, sie noch mal in die Eifel zu holen, vielleicht im Sommer. Und vielleicht darf ich sie dann treffen, nach all den E-Mails und Telefonaten, jedesmal eine beglückende Erfahrung (für den Dorfreporter ist das cool, wenn er sich sagen kann: So, ich ruf jetzt nochmal in Paris an).

Pardon, das musste einfach raus, während bei uns die Zahl der antisemitisch Denkenden weiter steigt. Memo an den Landtag: Monique Lévi-Strauss ist nicht in Belgien geboren, sondern in Paris. Hat sie mir selbst geschrieben, nachdem ich es auch erst falsch hatte. Könnt ihr ja vielleicht noch korrigieren.

Noch ein Bewunderter: Neil Young. Einer der größten Songschreiber aller Zeiten, wenn ihr mich fragt, auch wenn ein paar seiner jüngeren Platten stellenweise so klingen, als seien sie ihm aus dem aufgeknibbelten Loch in der Buxe gerutscht. Neil hat seine Songs aus Spotify, dieser Geißel aller Musikliebenden, entfernen lassen, weil er nicht auf einer Plattform vertreten sein will, die üblen Hetz- und Desinformationsgestalten einen Kanal bietet. Das Ganze erklärte er in einem offenen Brief, den er beendet mit den Worten: „Im Namen der Wahrheit.“ Yeah, Neil!

Und nun, Madame Lévi-Strauss, übernehmen Sie: „Es gibt keine Kultur, die einer anderen überlegen ist. Das müssen wir wissen. Es gibt auch keine Hautfarbe, die schöner ist als eine andere, keine Augenfarbe, die schöner ist als eine andere. Wir müssen akzeptieren, dass es Leute gibt, die anders sind als wir und die genauso ihr eigenes Leben haben, wie wir es haben. Das haben mich die Jahre in Deutschland gelehrt.“

Merci dafür. EJNJ.

Die Gedenkfeier im Netz:

https://www.youtube.com/watch?v=HTIDK_M2hUM

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort