Abschied von der Privatsphäre

Strahlende Gesichter sind zu sehen. Zwei Jungen baden mit ihrem Vater. Über dem Bild steht: „Erzähle deine Lebensgeschichte mit einem neuartigen Profil.“ Wer dieses nette Angebot für die neue Profildarstellung im sozialen Netzwerk Facebook nicht will, hat Pech: Denn die Chronik Timeline ist Pflicht.

Diese neuartige Form der Profildarstellung hinterlässt vor allem bei Facebook selbst strahlende Gesichter. Passend zum anstehenden Börsengang legt die Firma damit den Grundstein für die bessere Auswertung der Nutzerinformationen. An der US-Börse wird bereits spekuliert, dass dies der höchst notierte Börsengang aller Zeiten werden könnte. Denn Facebook ist mittlerweile ein entscheidender Bestandteil der globalen Infrastruktur, ähnlich wie das Internet selbst. Damit der Börsengang gelingt, muss das Unternehmen die hohen Erwartungen seiner Aktionäre erfüllen. Dafür muss Facebook seine Ressourcen effizienter einsetzen. Und das sind nun mal die vielen Nutzer (22 Millionen allein in Deutschland) und all die Dinge, die sie in das Netzwerk einstellen. Denn das Geschäftsmodell ist ganz einfach: Für den Gratisservice des Netzwerks sammelt Facebook alle privaten Daten, die es bekommen kann. Diese Daten werden dann an Werbekunden verkauft. Je stärker der Konzern wachsen will, je mehr Gewinn er machen möchte, desto weiter muss er in die Privatsphäre vordringen. Unternehmen haben auf das neue Angebot bereits reagiert. So hat der FC Bayern München seinen Spielern gerade strenge Regeln für die Verwendung von Facebook auferlegt. Sie dürfen beispielsweise keine Bilder aus der Umkleidekabine mehr in Umlauf bringen, so wie es der Mittelfeldspieler Anatoli Timoschtschuk vor der Partie bei Borussia Mönchengladbach getan hat. Nun sind Profi-Fußballer für ihre Vereine im wahrsten Sinn des Wortes Risikokapital, deswegen sind diese Vorgaben durchaus sinnvoll. Auch Normalverbraucher müssen sich über die Risiken der neuen Chronik-Funktion im Klaren sein. Jedem muss bewusst sein, was mit diesen Daten passiert, dass sobald er sie in das Netzwerk einstellt, keinen Einfluss mehr darauf hat. Wer Angst hat, die Kontrolle zu verlieren, sollte sensibel mit seinen eigenen Daten umgehen oder es mit Altbischof Wolfgang Huber halten. Der ehemalige Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland löschte jetzt sein Facebook-Profil aus Protest gegen die neue Chronik-Funktion.

t.zeller@volksfreund.de

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