Der Seelsorger

Die Antrittsrede Joachim Gaucks war die eines Seelsorgers. Den Menschen die Ängste nehmen, sie ermutigen, das Positive in ihnen wecken, das definierte der neue Bundespräsident als seine Ziele.

Es ist sicher nicht die schlechteste Idee in Zeiten, die viele fundamental verunsichern.
Deutschland, so Gaucks Botschaft, hat einen Schatz an Leistungen vorzuweisen, auf den jeder Bürger stolz sein kann. Der wirtschaftliche Erfolg gehört für ihn eher am Rande dazu. Die Vielfalt schon mehr. Am wichtigsten aber ist ihm die gewachsene, im Osten sogar errungene Demokratie.
Es war gut, dass endlich einmal ein Bundespräsident die Bedeutung der 68er Generation in diesem Zusammenhang so herausragend gewürdigt hat. Sie galt in den letzten Jahren einer bestimmten politisch-gesellschaftlichen Elite ja schon als ein verstaubtes Relikt, genauso wie politische Korrektheit, Multikulti oder soziale Gerechtigkeit.
Joachim Gauck lässt das Pendel nun nicht etwa einfach zurückschlagen, er findet eine neue Waage. So, dass alle im Bundestag gestern Beifall klatschen konnten. Freilich: In einer Antrittsrede gelingt das leicht. Politik ist am Ende aber immer konkret, sie muss sich entscheiden zwischen Richtig und Falsch, manchmal sogar zwischen Gut und Böse. Nach diesem ersten Auftritt darf man gespannt sein, wie Gauck seine Maßstäbe in den Auseinandersetzungen des Alltags anwenden wird - oder ob er sich diesen Auseinandersetzungen zu entziehen versucht. Das wäre falsch, denn der Bundespräsident ist ein politisches und kein kirchliches Amt. Politik kann nicht jedermanns Liebling sein. Auch Joachim Gauck nicht.

nachrichten.red@volksfreund.de

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