Forum Caesar erzählt vom Krieg

Früher war weniger Gegenwart? Denkste!

 Peter Reinhart

Peter Reinhart

Foto: TV/Klaus Kimmling

Latein, klassisch: Gallia est omnis divisa in partes tres ... der Auftakt zu Gaius Julius Caesars literarischem Kriegstagebuch De bello Gallico. Nanu, was soll das denn?! Die Auflösung folgt. Zunächst eine Zuschrift von Leserin Dr. Ute Schmidt aus Bettingen:

Über das Forum 564 habe ich mich sehr gefreut, weil endlich das Thema „Deutsche Sprache“ angegangen wird. In diesem Zusammenhang steht meine Kritik an einigen Schreibern des Volksfreunds. Was mich besonders ärgert, ist, dass durch falschen Gebrauch der Zeitangaben (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) Missverständnisse entstehen. Da liest man, dass jemand einen Vortrag hält und freut sich darauf – bis man feststellt, dass der Vortrag bereits gehalten worden ist. Oder dass eine Straße gesperrt ist – obwohl das erst irgendwann sein wird. Ich könnte täglich Beispiele nennen ...

Liebe Frau Dr. Schmidt,

vielen Dank für Ihre Anmerkungen zur Zeitungssprache und die treffende Kritik an manch über­flüssiger Irritation. „Merkel tritt zurück“, „Dortmund gewinnt Meisterschaft“, „Mann erschlägt Onkel mit Axt“ – es geht immer um das Jetzt. Wer solche Schlagzeilen liest, hat das Gefühl, Neuigkeiten zu erfahren, die in eben diesem Moment passieren. Darum die „falsche“ Zeit.

Die Gegenwartsform (Präsens) sorgt für Tempo und Dynamik. Im Alltag sagen die wenigsten Menschen ihren Liebsten am Telefon: Ich werde um Mitternacht nach Hause kommen. Sondern: Ich komme um Mitternacht nach Hause.

 Journalisten sprechen ihre Leser/Zuschauer/Hörer direkt an: Ich habe prickelnde Neuigkeiten für Sie, und weil ich weiß, dass Sie es eilig haben, mache ich es kurz, anschaulich, lebhaft. Ein bisschen Psychologie spielt hinein: Im Präsens bleiben die Nachrichten länger frisch und wirken nicht, gähn, wie von gestern.

Gar nicht gut jedoch, wenn es Missverständnisse gibt, weil die verwendete Zeitform in die Irre führt. Das ist ärgerlich, das lässt sich vermeiden – durch geschicktes Formulieren (dazu braucht es Sprachgefühl), durch Herumfeilen an Texten (das ist anstrengend).

Und was hat Caesar mit all dem zu tun? Sein Bericht über den Gallischen Krieg (58 bis 51/50 vor Christus) ist legendär – auch wegen der sprachlichen Extraklasse. Der römische Staatsmann, Feldherr und Autor erzählt Historisches im Tempus der Gegenwart, um die Spannung zu steigern, um die Dramatik der sich überstürzenden Ereignisse zum Ausdruck zu bringen, um die Leser zu fesseln. Stilprägend, vor mehr als zwei Jahrtausenden. Gallien in seiner Gesamtheit zerfällt in drei Teile ...

Herzliche Grüße!

Peter Reinhart

Stellvertretender Chefredakteur

E-Mail: forum@volksfreund.de

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