Europa Auf schwankendem Untergrund

Zur Berichterstattung über die Europäische Union schreibt Heinz Erschens:

Das uneinige Europa, aus dem die Wurzeln des Populismus’ gewachsen sind, ist das Problem aller etablierten Parteien. Die Frontstellung Volk gegen abgehobene Politiker und die unsinnige Gegenüberstellung des Rechts-Links-Schemas sind schuld am Verfall der Europa-Idee.

Ebenso wird die Erosion der klassischen Parteien von den Gegensätzen Armut und Reichtum genährt. Der Kontrast zwischen den Vermögenden und Habenichtsen zeigt, dass die Einigung Europas nicht angestrebt wurde, um eine europäische Sozialstaatlichkeit zu erzielen. Steuerschlupflöcher für die Oberschicht und Sparpolitik für die sogenannte Unterschicht mit Lohnzurückhaltung ist für viele nicht mehr zu akzeptieren.

Die europäische Steuerungselite hat bei der Gesetzgebung erst mal an sich selbst gedacht. Der Rütlischwur auf Geld, Vermögen und Banken macht Angst und schafft Unruhe, so dass das europäische Gebäude nun auf schwankendem Untergrund steht. Exporte durch prekäre Beschäftigung zu sichern ist der falsche Weg, weil so die Ungleichheit verschärft wird und Anlass gibt, Politik auf die Straße zu verlegen.

Auf der Straße aber sind die Populisten im Vorteil. Sie bieten Ersatzlösungen für verpasste Lebenschancen an. Mit einem nationalen Aufbäumen versprechen sie sogar Heilung. Das geht aber nur mit der Zerstörung der bestehenden Ordnung. Gerade Rechtspopulisten betreiben dezidiert die Demontage der bestehenden Ordnung durch gezielte, auf nationale Gesinnung propagierte Öffentlichkeitsarbeit in allen sozialen Netzwerken. Sie wissen 25 bis 30 Prozent der Bevölkerung hinter sich.

Die aufgescheuchten etablierten Parteien begnügen sich mit Aufrufen und versuchen zu argumentieren. Während die Rechten mit Sympathisanten und Parolen schreiend die Straßen bevölkern. Es herrscht keine Waffengleichheit.

Was sind schon Aufrufe und nichtssagendes Blabla in Parlamentsdebatten gegen die Fackelzüge der Massen und Megafone in der Hand von Demagogen. Das ist eine äußerst gefährliche Situation, weil fast ein Viertel der Bevölkerung nationalistischen Schlagwörtern positiv gegenübersteht, ohne zu erkennen, dass schon im letzten Jahrhundert das Aufbäumen der Rechten in einer Katastrophe endete.

Es gärt in vielen Regionen Europas, weil die Verantwortlichen zu lange dem populistischen Treiben der nationalen Selbstdarsteller argumentativ nichts entgegengestellt haben. Das hat zur Folge, dass manche schon längst dabei sind, den Stecker der Einigung zu ziehen. Wobei die Überraschung des Brexit-Votums nur eine logische Weiterentwicklung war.

Heinz Erschens, Kell am See

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