leserbriefe Dilemma für Ärzte und Angehörige

Zum Artikel „Spahn will Organspende zur Pflicht machen“ (TV vom 4. September) schreibt Thomas Jäckels:

Im Organspende-Ausweis steht „Für den Fall, dass nach meinem Tod eine Spende von Organen zur Transplantation infrage kommt ...“ Die Passage „nach meinem Tod“ ist fett gedruckt. Man kann per Kreuz festlegen, ob man spenden möchte oder nicht, falls ja, welches Organ, oder auch verfügen, wer im Fall des Falles entscheiden soll. Wenn Organspenden zur Pflicht wird, wächst das Dilemma für Ärzte und Angehörige. Der Moment, der einen Menschen zu einem möglichen Organspender macht, ist nicht der Tod, sondern der Hirntod. Es wird wohl beides gleichgesetzt. Was ist Hirntod? Die erloschene Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms. Durch kontrollierte Beatmung wird die Herz- und Kreislauffunktion noch künstlich aufrechterhalten. Was bedeutet: Der hirntote Mensch hat einen Puls, sein Herz schlägt, und er atmet, sein Körper ist warm und sein Stoffwechsel funktioniert. Kein Laie kann den Hirntoten von einem bloß bewusstlosen Menschen unterscheiden. Bei der Organspende geht es um zwei Menschen mit exakt gegensätzlichen Interessen. Nur wenn der eine stirbt, hat der andere die Chance zum Überleben. Diese Leben-oder-Tod-Frage wird nicht durch ein natürliches Geschehen entschieden, sondern durch Ärzte und Angehörige.

Die Fragen, die aufkommen: Ist ein als hirntot geltender Mensch patientenzentriert zu behandeln – also mit dem Ziel des Überlebens? Und wie lange? Oder spendenzentriert – also mit dem Ziel, selbst zu sterben und einem anderen das Leben zu ermöglichen. Die Angehörigen sind überfordert, wenn es um den Konflikt zwischen medizinischer Möglichkeit und ethischer Verantwortung geht.

Hier sind noch wichtige Fragen zu klären und genauere gesetzliche Regelungen erforderlich. Ich finde, dass Verbesserungen bei der Information und Kommunikation nötig sind, ehe Bundesgesundheitsminister Spahn die Organspende zur Pflicht macht.

Thomas Jäckels, Riveris

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